Institut für Entwicklungs- und Sozialpsychologie
Universitätsstr. 1
40225 Düsseldorf

Kinder und Jugendliche beim Bildschirmspiel

Ergebnisse einer Befragung zu Interaktion und Kommunikation
von 8-16jährigen an Computer, Videokonsole oder Gameboy

Forschungsbericht

Matthias Petzold,
unter Mitarbeit von
Monika Demming-Pälmer, Handan Helvacioglu, Manuela Romahn und Sabine Schikorra

in MEDIENPSYCHOLOGIE, Band 8, Heft 4/1996
November 1996


I n h a l t

1. Bisherige Ergebnisse der Medienforschung

1.1 Einleitung
1.2 Verfügung von Computern
1.3 Anschaffung von Spielen
1.4 Interaktion am Bildschirm
1.5 Kommunikation über Bildschirmspiele

2. Ergebnisse der Fragebogenerhebung

2.1 Untersuchungsdurchführung und Stichprobenbeschreibung
2.2 Zugang zu Computern, Videokonsolen und Gameboys
2.3 Anschaffung von Bildschirmspielen
2.4 Interaktion mit dem Computer
2.5 Kommunikation über Bildschirmspiele

3. Diskussion und Schlußfolgerungen

1. Bisherige Ergebnisse der Medienforschung

1.1 Einleitung

In ihren Spielen beziehen Kinder und Jugendliche mehr und mehr die Medien mit ein. Wie mit den verschiedenen Medien in der Familie umgegangen wird, ist die Hauptfragestellung des Düsseldorfer Projekts „Kinder, Computer und neue Medien" (vgl. Petzold, 1994). Das Teilprojekt „Bildschirmspiele" umfaßt zunächst als Pilotstudie eine Fragebogenerhebung zur Interaktion und Kommunikation von Kindern, die sich in der Familie mit Bildschirmspielen beschäftigen. Der Begriff „Bildschirmspiele" wird dabei im Sinne von Fritz (1995) als Sammelbegriff für Computerspiele, Videokonsolen und Hand-Held-Games (z.B. Gameboy) benutzt. Neben der Erfassung verschiedener Aspekte des Umgangs mit Bildschirmspielen, wird dabei als Hauptfragestellung verfolgt, welche Bedeutung für das spielende Kind seine Eltern und andere Kinder haben, wenn mit dem Computer gespielt wird. Dabei geht es um vier Problembereiche: Wo und wie haben Kinder Zugang zu Computern? Unter welchen Kriterien werden Bildschirmspiele angeschafft? Wie gestaltet sich die Interaktion beim Spielen mit dem Computer? Wie erfolgt die Kommunikation mit anderen über Bildschirmspiele?

Im folgenden soll nun zunächst ein Überblick zu einigen Ergebnissen der bisherigen Forschung gegeben werden, wobei wir uns auf solche Publikationen beschränken, die sich explizit mit dem einen oder anderen Aspekt unseres Projekts zur Interaktion und Kommunikation bei Bildschirmspielen befaßt haben.

1.2 Verfügung von Computern

Die Verbreitung von Computern hat in den letzten 10 Jahren sehr stark zugenommen. Allerdings gibt es erhebliche Schwankungen in den Angaben - die Zahl liegt zwischen 20% und 80% - aus Erhebungen der Jahre 1984 bis 1989/90 (vgl. Altmeyer-Baumann, 1991 bzw. Dittler, 1993). Im Durchschnitt erfolgte zwischen den Jahren 1985-1987 eine Verdoppelung der Haushalte, die einen Computer besaßen (vgl. Spanhel, 1987). Mitte der 80iger Jahre gaben um 10% der Jugendlichen an, einen eigenen Computer zu besitzen, Ende der 80iger Jahre waren es bereits 21% der 14-18jährigen (Altmeyer-Baumann, 1991). Faktisch besaß die Mehrzahl der Jugendlichen demnach noch keinen eigenen Computer, doch gaben 1989 nach Fauser und Schreiber lediglich 21% der Heranwachsenden an, noch keinen Kontakt mit Computern gehabt zu haben, davon 11% Jungen und 32% Mädchen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren (Hoelscher, 1994). Den Forschungsergebnissen der Media-Analyse von 1990 zufolge, haben 24% der 14- bis 19jährigen einen eigenen Computer. Der Computer ist mit 26% am häufigsten in Haushalten mit Kindern von 14 bis unter 18 Jahren anzutreffen (vgl. Kübler, 1993).

Falls kein (eigener) Computer in der Familie vorhanden ist, kommen die Jugendlichen durch die Schule und vor allem durch Freunde in Kontakt mit dem Computer. Dafür spricht auch der soziale Charakter von Computer- bzw. Videospielen, die oft als geselliger Treffpunkt dienen und Anziehungspunkt für Kinder sind, die kein eigenes Spielzeug dieser Art besitzen (vgl. Kübler, 1993; Spanhel, 1990, S.84).

Die Medienforschung wird oft als ‘Jungenforschung’ bezeichnet (Curth, 1994). Schon im Kindergarten sind es hauptsächlich Jungen, die sich mit medienbezogenen Aktivitäten beschäftigen. So ist auch allen vorangegangenen Untersuchungen gemeinsam, daß signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede ermittelt wurden. Es waren durchgehend männliche Computerbesitzer bzw. -nutzer in sehr viel höherer Anzahl vertreten als weibliche (vgl. Hoelscher, 1994; Dittler, 1993; Spanhel, 1990). Mädchen seien zwar genauso am Computer interessiert, hätten aber ein anderes Nutzungsinteresse und weniger Zugang als Jungen (Hoelscher, 1994, S.155ff). Mädchen scheinen ein eher pragmatisch-zweckorientiertes Interesse an diesem Gerät zu haben, während es für Jungen eher der Freizeitgestaltung dient. Bei den Spielen sind Mädchen eher an Geschicklichkeitsspielen interessiert, während Jungen Actionspiele favorisieren.

Die Strukturierung des Spielverhaltens am Computer wurde hauptsächlich nach den Kriterien der Häufigkeit und Dauer bzw. auch nach dem Stellenwert gemessen, den das Spiel im Rahmen allgemeiner Freizeitaktivitäten hat. Detaillierte Angaben über Regeln und Einschränkungen des Spielverhaltens im Rahmen der Strukturierung des Alltagslebens sind so nicht zu finden. Bezüglich der Häufigkeit unterscheidet z.B. Dittler (1993, S. 94f) als Essenz der verschiedenen Studien nach zwei Gruppen: die der durchschnittlichen Spieler und die der Vielspieler. Die erste Gruppe macht den weitaus größten Anteil aus. Für diese Spieler sind Bildschirmspiele von geringerem Stellenwert bzw. eine von vielen Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Bezüglich der aufgewendeten Zeit gaben in der Untersuchung von Lukesch 44% der Jungen und 68% der Mädchen an, nicht länger als eine Stunde beschäftigt zu sein, wenn sie ein Spiel spielten; 3,5% der Jungen und 1% der Mädchen spielten länger als drei Stunden (zit. nach Dittler, 1993). Bei Spanhel ergab ein Vergleich der Erhebungen von 1985 und 1987, daß das Spielen mit Tele- und Computerspielen (wie auch der Konsum von Videofilmen) leicht zugenommen hat. Insgesamt scheint aber ablesbar zu sein, daß sich die Häufigkeit der Beschäftigung in einem ‘normalen’ Rahmen bewegt (Spanhel, 1990, S.96). Im wesentlichen erscheint das Spielen als eine von mehreren Betätigungsmöglichkeiten am Computer und als eine von vielen Beschäftigungsmöglichkeiten in der Freizeit. Nach Spanhel (1990, S. 101) lag die Beschäftigung mit dem Computer erst an 13. Stelle der Rangskala der Freizeitbeschäftigungen. Die größte Bedeutung scheinen Bildschirmspiele dabei für die um 14jährigen zu haben (vgl. z.B. Kübler, 1993). Als Einschränkung könnte hier also gelten, daß das Spielverhalten im allgemeinen und das Computer-Spielverhalten im speziellen immer auch im Zusammenhang mit der biographischen Entwicklung des Einzelnen zu sehen ist (vgl. auch Dittler, 1993). Der Umgang mit Bildschirmspielen ist also in Abhängigkeit von Alter und psychosozialen Dispositionen zu sehen.

1.3 Anschaffung von Spielen

Im Bereich der Computersoftware beträgt der Jahresumsatz an Videospielen mindestens 200 Millionen Mark in Deutschland (Fehr & Fritz, 1993a, S. 39). Dabei werden laut Angabe der Spiele-Distributoren hauptsächlich Adventures, Strategiespiele und Rollenspiele verkauft, weniger die in England und Amerika beliebteren Kriegsspiele. Insofern fällt die freiwillige Selbstkontrolle siehe auch weiterführenden Artikel leicht und man hat keine Probleme mit der Bundesprüfstelle siehe auch weiterführenden Artikel. Die Tendenz scheint zu immer komplexeren Spielen mit immer mehr Daten zu gehen. So benötigen z.B. Adventures, Rollenspiele oder Simulationen sechs bis neun Disketten. Für die Zukunft der Computerspiele hat daher die Verbreitung als CD-ROM die größten Chancen.

1.4 Interaktion am Bildschirm

Es gibt verschiedene Unterscheidungen von Spieltypen (vgl. z.B. Fehr & Fritz, 1993c; Hoelscher, 1994; Dittler, 1993; Lukesch, 1990; Fromme, 1995), die im wesentlichen für alle Spiele zutreffend sind, die auf einem Computerprogramm basieren, deren Spielhandlung auf einem Monitor dargestellt wird und auf die der Spieler Einfluß nehmen kann (vgl. Dittler, 1993, S.28). Die Art der Spiele wird differenziert nach den verschiedenen theoretischen Ansätzen bzw. Fokussierungen.
Eine recht übersichtliche Systematisierung von Spielen, die auch häufig von anderen Autoren benutzt wird, haben Fehr und Fritz (1993c) erarbeitet:

  1. Abstrakte Denk- und Geschicklichkeitsspiele: Wesentliche Grundmuster dieser Spielart sind Ordnung (herzustellen), Prüfung und Bewährung oder Vorwärtskommen. Vom Spieler werden vor allem Reaktionsschnelligkeit, Gedächtnisleistungen, feinmotorische Fähigkeiten, Orientierungsvermögen und strategische Fähigkeiten gefordert.
  2. Kampfspiele: Wesentliche Grundmuster sind hier kampfbestimmte Handlungsstrukturen, die aktionale Rolle des Spielers und das Handlungsmuster ‘Erledigen’. Diese Spielart hat meist einen geringen Realitätsbezug, die Szenarios sind oft futuristisch oder im Bereich von Comics und Fantasy angesiedelt. Für Spieler dieser Art liegt der Reiz vor allem in der Abwehr von Bedrohung durch eigenes aggressives Handeln. Kampfspiele liefern Muster von Lebens- bzw. Identitätsentwürfen besonders für männliche Jugendliche.
  3. Funny-Games: Gefragt sind hier vor allem Geschicklichkeit, Taktik, Reaktion, Koordinationsvermögen, Kreativität in der Entwicklung von Lösungen, antizipatorisches Denken, experimentelles Verhalten. Wesentliche Grundmuster von Funny-Games ist die aktionale Rolle des Spielers im Rahmen einfacher Lenkungsaufgaben bis zu komplexen Bewegungsanimationen. Der Spieler handelt vor allem nach dem Muster der ‘Bereicherung’. Die Szenarios sind meist lustig, mit Comicfiguren und oft als Labyrinthe angelegt.
  4. Simulationen: Wesentliches Grundmuster ist hier die Betonung des Realitätsbezuges. In den der Realität nachgebildeten Szenarios werden vom Spieler in aktionaler Rolle insbesondere strategische Fähigkeiten gefordert. Gefragt sind vor allem Ausdauer, Ehrgeiz, Leistungsbereitschaft, Rivalität.
  5. Spielgeschichten: Spielgeschichten unterscheiden sich entweder nach der Form oder bezüglich des Inhalts. Merkmale von Spielgeschichten sind vor allem die aktionale und strategische Rolle des Spielers und der Spielelemente. Ziele sind das Bestehen von Bewährungsproben, voranzukommen, sich weiterzuentwickeln etc. Zentral ist dabei die ‘Entwicklungsgeschichte’ der Spielfigur in einer meist phantastisch angelegten Spielwelt.

Computer- und Videospiele lassen sich nicht nur mit Betonung auf ihre Inhalte unterscheiden. Aus einem kognitionspsychologischen Zugang wird eher die Form der Spiele betont. Sie werden nach drei Repräsentationsmodi differenziert, die durch unterschiedliche kognitive Repräsentationsformen (handlungsbezogen, bildhaft, symbolisch) gekennzeichnet sind und entsprechende Fertigkeiten oder Kompetenzen erfordern (vgl. z.B. Greenfield, 1994).

Der Reiz, den Spiele ausüben, wird aus verschiedenen Perspektiven theoretischer Konzeptionen untersucht, z.B. wird er in den motivationalen Strukturen der Spieler begründet oder aus familiensystemischer Sicht in den familialen Kontext eingebettet. Fast ausnahmslos wird das Spiel dabei als eine Art Konfliktlösung bzw. Problembewältigung angesehen, das dem Spieler als symbolischer Austragungsort dient, indem verschiedene Problembewältigungsstrategien erprobt oder erworben werden können (vgl. Fehr & Fritz 1993b; Fritz, 1995). Die heutigen Bildschirmspiele bilden nur eine neue Form von Spiel, in dem Kinder leben und sich entfalten. Die Entsprechung von Entgegenkommen und Erwartung bedeutet demnach, daß der Spieler das Gefühl hat, daß durch das Spiel die Erwartung, in seiner Lebensentfaltung voranzukommen, erfüllt wird. Insofern ist ein Bildschirmspiel auch als Austragungsort für diverse Konfliktstrukturen aus der Lebenswelt des Jugendlichen zu verstehen. Daher werden Spiele auch als Konfliktlösungsmedium angesehen.

Fürst (1993) hat den Versuch eines umfassenderen Erklärungsmodells auf der Basis eines komplexeren Theoriegebildes unternommen. Zum einen wird der medienpsychologische Nutzungs- und Belohnungsansatz zugrundegelegt siehe auch weiterführenden Artikel, der dem Rezipienten eine aktive, selektierende und interpretierende Rolle auf der Grundlage der Bedeutungszuschreibung beimißt. Dieser bildet mit ebenfalls motivationspsychologischen Konzeptionen die Grundlage des Erklärungsmodells. Die Mediennutzung (Fernseh- und Videospiel) wird hier in direkter Abhängigkeit vom Sozialisationskontext gesehen. Die Determinanten der Mediennutzung von Kindern werden deshalb vor allem in den familiären Lebensbedingungen gesucht. Im Rahmen dieser Determinanten der Mediennutzung in der Familie befaßt sich Fürst (1993) auch mit dem Reiz des Mediums (Fernsehen oder Spiel) und unterscheidet verschiedene Mediennutzungsmotive, z.B. Beseitigung von Langeweile, Interaktion mit den Eltern, Strukturierung der Freizeit, Erleben intensiver Gefühle u.a. Diese Motive zur Mediennutzung werden in direkte Beziehung zu den familiären Verhältnissen gestellt in dem Sinne, daß in der Mediennutzung Problembewältigungsstrategien zur Bewältigung ‘defizitärer’ familiärer Bedingungen gesehen werden.

Einige Bildschirmspiele sind in den letzten Jahren verboten worden. Bis 1991 wurden etwa 150 Spiele indiziert. Trotz Verbots bzw. Indizierung sind einige solche Spiele verbreitet. Es handelt sich dabei vor allem um Gewaltspiele, weniger um Pornographiespiele und kaum um nationalsozialistische Spiele (ebd. S.99). Die Nutzer indizierter Bildschirmspiele erscheinen als eine autonome gesellschaftliche Nische (Beierwaltes, Grebe & Neumann-Braun, 1993), die in einem sowieso schon kaum überschaubaren Markt der Bildschirmspiele eine schwer erfaßbare Minderheit darstellt.

1.5 Kommunikation über Bildschirmspiele

Die Medialisierung des Alltags von Kindern und Jugendlichen erscheint heute nicht mehr als etwas Spektakuläres. Insofern umfaßt der Begriff des Medienalltags nicht nur die Art der Nutzung der Medien. Die Erforschung des Medienalltags beinhaltet genauso die Verarbeitung von und die Kommunikation über diese Medien (vgl. auch Feil & Furtner-Kallmünzer, 1994). Der Computer mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten ist längst in den Alltag integriert. So kann davon ausgegangen werden, daß die Kommunikation über Computer bzw. auch die Spiele im Speziellen einen gewissen Routinisierungs- bzw. Habitualisierungsprozeß erfahren haben. Diese scheinen allerdings bisher nur im Ansatz erforscht zu sein.

Spanhel (1990, S. 150) ermittelte zwar Angaben über die Art des Erfahrungsaustauschs unter Jugendlichen, dabei ging es allerdings vor allem um die allgemeine Kommunikation wie z.B. das Sprechen über Geräte und technische Fragen, Probleme des Programmierens oder auch neue Computerspiele. Hier deutet sich schon eine Vermutung an, die noch zu belegen wäre. Daß nämlich, wenn nicht hauptsächlich, so doch zumindest betont, die Kommunikation in der Peer-Gruppe stattfindet. Dabei kann die faktische Kommunikation auch zu einer Art Metakommunikation werden, indem es etwa darum geht, Beziehungsstrukturen zu klären (vgl. z.B. Feil & Furtner-Kallmünzer, 1994).

Was die Eltern-Kind-Kommunikation angeht, können mangels repräsentativer Untersuchungen ebenfalls nur Vermutungen angestellt werden. Zum einen werden Computer (wie Medien überhaupt) sicher häufig als ‘Babysitter’ benutzt (vgl. Rogge, 1994). Es ist weiter anzunehmen, daß in der Eltern-Kind-Kommunikation zum Thema Computer der Vater eine dominierende Rolle spielt. Zumindest in der Phase der Anschaffung ist er maßgeblicher an der Kommunikation über Computer beteiligt (vgl. Leu, 1993). Leu subsumiert die familiäre Kommunikation über Computer unter den allgemeinen Interaktionsstil. Der Computer als "zentraler Bestandteil moderner Lebensführung" (ebd. S.175) sei eng verbunden mit einem Selbst- und Weltbild, das zum einen Kinder oftmals als die Kompetenteren von ihren Eltern unterscheide. Zum anderen konstatiert Leu als wesentliche Erkenntnis, daß es sowohl Zusammenhänge als auch wesentliche Unterschiede gibt zwischen der Kommunikation und Interaktion mit bzw. über den Computer im Vergleich zu anderen Themen und Bereichen der Auseinandersetzung mit der Umwelt.

Inwieweit der Computer in der Familie zum Thema wird, hängt wesentlich auch vom Computerbild der Eltern ab und von der Bedeutung, die sie diesem Gerät für ihre Kinder beimessen. Die wahrscheinliche Abhängigkeit der Kommunikation vom allgemeinen kommunikativen Klima, das in einer Familie herrscht, wurde bereits von Schneider und Schneider (1984) diskutiert. Sie fordern von den Eltern, daß sie Kindern die Einstellung vermitteln, Computer als hilfreiche, nützliche Werkzeuge - nicht mehr und nicht weniger - anzusehen. In einem anregend gestalteten Familienklima, in dem die „Bereicherung" in bezug auf kognitive und emotionale Persönlichkeitsentwicklung einen Familienwert darstellt, könne der Computer seine möglichen positiven Effekte entfalten. Die Effekte, die ein Computer in der Familie bewirken kann, sind also direkt abhängig davon, wie und als was er wahrgenommen und genutzt wird.

Angesichts der noch fehlenden Forschung erscheint es an dieser Stelle schwierig, eine kurze und prägnante Darstellung typischer Kommunikationsstile über den Computer zu geben. Die Kriterien, nach denen Leu (1993) seine offenen Interviews mit Eltern und Kinder zusammenzufassen sucht, ergeben kein eindeutiges Profil, da die wenigen untersuchten Familien vielfach differenzierte und vielschichtige Gesprächsformen offenbarten. Leu selbst räumt mehrfach ein, daß aufgrund der wenigen befragten Familien keine eindeutigen, geschweige denn repräsentativen Aussagen über das kommunikative Verhalten bezüglich der Computernutzung in Familien getroffen werden können. Wichtig ist sicherlich die Vermutung, daß z.B. in Familien, in denen allgemein oft Gespräche stattfinden und in denen ein offenes und interessiertes Familienklima herrscht, vermutlich auch der Computer öfter zum Diskussionsanlaß wird. Leu deutet hier u.a. auch wieder geschlechtstypische Unterschiede an, die sich in unterschiedlichen Gesprächsstilen niederschlagen. So scheinen z.B. Mütter für die Entwicklung einer eher kritischen Auseinandersetzung mit dem Computer von Bedeutung zu sein, während Väter zu einer distanzloseren Perspektive neigen und vor allem in der Anschaffung die dominierendere Rolle spielen.

2. Ergebnisse der Fragebogenerhebung

2.1 Untersuchungsdurchführung und Stichprobenbeschreibung

Die Fragebogenstudie zu Bildschirmspielen, über die hier berichtet wird, ist Teil des Projekts „Kinder, Computer und neue Medien", das im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Familienentwicklungspsychologie an der Heinrich-Heine-Universität im Herbst 1994 begonnen wurde. Die hier vorliegende Studie soll auf dem Hintergrund eines systemischen Ansatzes der Familienpsychologie (vgl. Petzold, 1992) mit parallelen Befragungen aller Familienmitglieder einer repräsentativen Stichprobe fortgeführt werden. In einem ersten Schritt haben wir einen eigenen Fragebogen mit 38 Items entwickeln, der teils standardisierte Fragen (manche mit Mehrfachantwortmöglichkeiten), teils offene Fragen enthielt. Dieser selbstkonstruierte Fragebogen umfaßte neben Fragen zum Zugang zu und Anschaffung von Bildschirmspielen besonders Problembereiche der Interaktion mit und Kommunikation über Bildschirmspiele (Computer, Videokonsole, Gameboy). Dieser Fragebogen wurde zunächst für die Kinder entwickelt und soll mit Parallelformen für Geschwisterkinder, Mütter und Väter weiterentwickelt werden.

Zunächst hatten wir eine Vorform dieses Fragebogens im Frühjahr 1995 in einem Probelauf an einer kleinen Stichprobe getestet. Die daraufhin fertiggestellte Endform des Fragebogens wurde dann im Sommer 1995 eingesetzt. Wir verzichteten auf den Aufwand einer kontrollierten Stichprobenziehung. In Form einer anfallenden Stichprobe befragten die im Projekt mitarbeitenden Studenten Kinder und Jugendliche im Großraum Düsseldorf in einer Art Schneeballsystem. Die Stichprobe ist also keineswegs repräsentativ, aber angesichts der schnell voranschreitenden technischen Veränderungen und der sich wandelnden Interaktionsstile dürfte auch eine repräsentative Stichprobe nach kurzer Zeit ihre Repräsentativität eingebüßt haben. Dennoch kann man vor diesem Hintergrund davon ausgehen, daß signifikante Ergebnisse unserer Untersuchung etwas über Tendenzen der Einstellungen von Kindern und Jugendlichen in ganz Deutschland aussagen.

Mit der Durchführung der Erhebung im Sommer 1995 wurden 15 trainierte Studenten eines Projektseminars der Universität Düsseldorf beauftragt. Sie befragten 161 Versuchspersonen (113 Jungen und 48 Mädchen) im Alter zwischen 8 und 16 Jahren. Im einzelnen haben die Interviewer die Fragen (teils standardisiert, teils offen) den Kindern/Jugendlichen vorgelesen, in Einzelfällen wurden auch Verständnisfragen beantwortet. Die Antworten wurden von den Interviewern selbst in die Fragebögen eingetragen. Als Basisdaten erhoben wir auch Familienform, Schulart und Schulklasse. Als Probanden kamen nur Kinder und Jugendliche in Frage, die in irgendeiner Form Kontakt mit Bildschirmspielen hatten oder noch haben. Das Interesse, an der Befragung teilnehmen zu dürfen, war recht groß.

Die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse zu den vier uns hauptsächlich interessierenden Bereichen (Zugang, Anschaffung, Interaktion und Kommunikation) beziehen sich auf eine deskriptive Auswertung der Häufigkeitsverteilung pro Frage. Für die Antworten zu den offenen Fragen wurden von zwei Experten je Frage spezielle Kategorien erarbeitet, so daß die entsprechenden (Mehrfach-) Zuordnungen in die Auswertung aufgenommen werden konnten. Zusätzlich wurden Kreuztabellen zu ausgewählten Items (Spielgerät, Geschlecht, Familientyp, Schulart und Alter) berechnet. Die meisten Kinder lebten in vollständigen Familien, 14% der Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil. Ein Drittel besuchte die Grundschule, ein Drittel das Gymnasium und der Rest zu gleichen Teilen eine Gesamtschule, Realschule oder Hauptschule. Die drei Altersgruppen umfaßten 34 Grundschulkinder (8-10 Jahre), 85 Schulkinder (11-13 Jahre) und 42 Jugendliche (14-16 Jahre). Wegen der geringen Stichprobengröße wurden bei Variablen mit vielen Missing Data zur Absicherung von Signikfikanzen zu den Chiquadrattests noch Zufallstests mit 5000 Replikationen berechnet.

2.2 Zugang zu Computern, Videokonsolen und Gameboys

Die Problematik der Zugangsmöglichkeiten beinhaltet zunächst die Frage, wo Zugriff auf einen Computer besteht und ob geschlechtsspezifische Unterschiede der Zugangsmöglichkeiten zum Computer bestehen. Und schließlich geht es darum, wie in der Familie Regeln und Einschränkungen der Computernutzung aufgestellt werden.

Von den drei Typen der Bildschirmspiele hatten 145 (90,1%) die Gelegenheit, am Computer zu spielen, aber 108 (ca. 67%) hatten Zugang zu einer Videokonsole und 110 (68%) zu einem Gameboy oder ähnlichem Gerät. In fast der Hälfte (45%) der Fälle ( n = 73) wurde der Computer ausschließlich zum Spielen benutzt. 38 der Kinder/Jugendlichen, also 23%, gaben an, den Computer zum Spielen und Lernen zu nutzen, nur 24 der Befragten (14,9%) nutzen den Computer zum Lernen. Dabei gab es auch einen klaren Alterstrend, d.h. jüngere Kinder nutzen den Computer fast nur zum Spielen, ältere auch zum Lernen.

Zwei Drittel der Befragten meinten einerseits, daß sie sich nicht an Regeln halten müßten, aber auf die konkrete Frage nach den Hausaufgaben, gaben andererseits zwei Drittel an, Hausaufgaben müßten zuerst erledigt werden. Bei der offenen Frage nach der Art der Regeln, wurde von 28% (n = 22) gesagt, es gäbe allgemeine zeitliche Einschränkungen. 15 (19%) wiesen darauf hin, daß sie bei Bildschirmspielen von anderen Familienmitgliedern abhängig sind (z.B. „wenn Mutter nicht fernsieht", „wenn Vater den Computer nicht für die Arbeit braucht"). Im einzelnen zeigte sich auch, daß Jugendliche häufiger angeben, daß es keine Regeln gibt. Mädchen scheinen eher als Jungen Einschränkungen unterworfen zu sein. Mädchen berichten auch häufiger als Jungen, daß sie erst ihre Hausaufgaben machen müssen.

Die Zeitdauer wurde nur aufgrund der retrospektiven Selbsteinschätzung der Kinder/Jugendlichen ermittelt, die Angaben sind daher nicht sehr valide. Dennoch können bestimmte Trends festgehalten werden:

2.3 Anschaffung von Bildschirmspielen

Bildschirmspiele sind teure und relativ kurzlebige Konsumartikel. Kinder können deshalb meist nur mit bzw. über ihre Eltern neue Spiele beschaffen. Andererseits gibt es die weit verbreitete Praxis des illegalen Kopierens. Noch gänzlich unerforscht ist die Frage, welche Einstellungen Kinder zu solchen Raubkopien haben.

Informationen über neue Spiele beziehen Kinder zu fast 80% (n = 128) über die Freunde und zu 57% aus Gesprächen in der Schule (n = 92). 69 der Befragten informieren sich über Zeitschriften- und Fernsehwerbung (42%) und 30%, also 49 der Teilnehmer, beziehen ihre Informationen aus der Familie, besonders dem Bruder. Die Grundschulkinder erhalten von ihrem Vater Informationen über Bildschirmspiele, aber nur 5% (n = 8) aller Kinder erfahren etwas über Bildschirmspiele von der Mutter. Bei Alleinerziehenden haben Brüder als Info-Quelle einen höheren Stellenwert. Bezüglich des Spielgeräts wurde deutlich, daß gerade bei Videokonsolen Informationen - viel häufiger als bei Computer- bzw. Gameboyspielern -über Freunde bezogen werden, während Gameboyspieler von „anderen" (d.h. weder Familie noch Freunde) Informationen über neue Spiele erfahren. Diese Info-Quellen stehen Mädchen jedoch weniger oft als Jungen zur Verfügung. Hinzu kommt, daß sich Jungen - weitaus öfter als Mädchen - in der Schule und mit Freunden über Bildschirmspiele unterhalten. Explizit wurde gefragt, ob die Kinder/ Jugendlichen sich auch aus Zeitschriften informieren. Allgemein wurde deutlich: Je älter die Kinder sind, desto eher beziehen sie Infos über Spiele auch aus Zeitschriften. Allerdings scheinen Realschüler (im Unterschied zu den anderen Schularten) deutlich seltener über Spiele in Zeitschriften zu lesen. Es zeigte sich als Trend, daß Mädchen weniger oft als Jungen über Spiele in Zeitschriften nachlesen, und Kinder von Alleinerziehenden weitaus öfter als andere Zeitschriften über Bildschirmspiele lesen.

Bei der Anschaffung von Bildschirmspielen haben die Eltern nur zum Teil noch Einfluß. Bei unserer Befragung waren Mehrfachnennungen möglich. 122 der Kinder geben an, daß sie geschenkte Spiele vom Vater (76%) und 93 der Kinder von der Mutter (58%), was faktisch wohl bedeutet: „von beiden gemeinsam" , erhalten zu haben. 95 kreuzten aber bei den Geschenken den Bruder als Geber an (59%). Wenn Kinder selbst Bildschirmspiele anschaffen, dann besprechen sie in 40% der Fälle diese Anschaffung nicht mit den Eltern (n = 65). Dieser Trend wächst mit dem Alter, d.h. bei den Grundschülern haben noch drei Viertel der Eltern Einfluß auf den Kauf von Spielen, bei den Jugendlichen ist es nur noch ein Drittel der Jugendlichen, die die Anschaffung eines Spiels mit den Eltern besprechen. Gameboybesitzer besprechen häufiger Neuanschaffungen mit den Eltern, da eine solche Anschaffung im Unterschied zu der Raubkopie viel Geld kostet. Darüber hinaus ergaben sich besonders für die Gameboy-Spieler interessante Resultate. Sie bekommen öfter als bei den beiden anderen Spielgeräten ein solches Spiel als Geschenk von Vater und/oder Mutter oder auch von den Großeltern. Spielende Kinder an Videokonsolen bekommen besonders häufig von der Mutter ein solches Spiel als Geschenk, obwohl die Mutter sonst bei Bildschirmspielen nicht in Erscheinung tritt. Ein klarer Geschlechtsunterschied belegt auch, daß Jungen weitaus öfter als Mädchen ein Spiel über Freunde beziehen (vermutlich am häufigsten in Form illegaler Kopien oder des Tausches).

Tauschen und Kopieren hat einen großen Stellenwert in der Frage des Zugangs zu Bildschirmspielen. 68% der befragten Kinder (n = 109) tauschen Bildschirmspiele, wobei - naturgemäß - Videospieler häufiger Konsolen mit Klassenkameraden und Freunden tauschen, während Computerbesitzer Disketten kopieren und andere kopieren lassen. Kopieren kann man nur Computerspiele, aber das hat für 43% von allen Kindern (n = 69) eine große Bedeutung. Kopien werden auch zwischen Freunden weiterkopiert (53%, n = 86), Kopien eignen sich aber weniger oft als Geschenk beantworteten 62 der Kinder/Jugendlichen (38%). Gesetzestreu verhalten sich nur die 29%, das heißt 46 der Befragten, die es Freunden nicht erlauben, Originalspiele zu kopieren. Je älter die Kinder werden, desto öfter kopieren/tauschen sie Spiele. Mit je 67% sind Hauptschüler und Gymnasiasten die eifrigsten Raubkopierer. Wenn man jedoch einmal selbst Besitzer eines Originalspiels ist, dann werden signifikant häufiger gerade Hauptschüler restriktiv und lassen selbst Freunde nicht kopieren.

Was konkret gespielt wird, wissen - nach Auskunft der Kinder/Jugendlichen - 35% der Eltern nicht, die Eltern von Gameboybesitzern sind - öfter als bei PC- oder Videospielen - darüber informiert, was ihre Kinder gerade spielen.

Die meisten Kinder wußten auch, daß es verbotene Spiele gibt. Die Hälfte der Jungen - aber nur wenige Mädchen - hatte schon einmal selbst eins ausprobiert. Dabei waren es besonders ältere Jungen aus Hauptschulen, die es versucht hatten. 43% aller Kinder/Jugendlichen gaben an, daß sie gerne (noch) eins ausprobieren wollen. Der Reiz besteht aber wohl besonders darin, daß sie verboten sind bzw. reizt sie die vermutete oder erlebte Brutalität (23,1%). Dieser Reiz des Verbotenen wurde signifikant häufiger von der mittleren Altersgruppe (11-13 Jahre) als Motiv genannt.

2.4 Interaktion mit dem Computer

Kinder wissen sehr wohl verschiedene Arten von Bildschirmspielen zu unterscheiden. Aber was macht jeweils den besonderen Reiz des Spiels aus, wie bewältigen Kinder Mißerfolg im Spiel, wo holen sie sich welche Hilfe? Und schließlich ist im Umgang mit Bildschirmspielen auch interessant, wie Kinder zu verbotenen (indizierten) Computerspielen stehen.

Bildschirmspiele werden keineswegs nur allein gespielt, auch wenn sie von der Technik häufig so konstruiert sind. Ein Drittel der Befragten meinte, daß sie mit anderen zusammen spielen, ein weiteres Drittel spielt mal mit anderen und mal nur allein, und ein Drittel gab an, daß sie allein spielen. Dabei zeigten sich auch je nach Subgruppe einige Unterschiede:

Die befragten Bildschirmspieler, Mehrfachnennungen waren möglich, hatten durchaus noch andere Freizeitinteressen, wobei die ersten beiden (Freunde treffen bzw. Sport treiben, n = 156) eindeutig mit 97% an der Spitze liegen und sozial orientiert sind. Sportlich aktiv sind 134 der Befragten (n = 83%) 126 kreuzten fernsehen als weitere Freizeitbeschäftigung an (78%). 59% der Kinder und Jugendlichen lesen noch (59%). In einem Verein sind außerdem noch 55% der Befragten (n = 88), 51% greifen zu Gesellschaftsspielen (82 Probanden) und 25% kreuzten "anderes" an.

In diesen Freizeitinteressen zeigten sich jedoch interessante Gruppenunterschiede:

Die offene Frage, was denn im einzelnen Bildschirmspiele so interessant macht, wurde sehr heterogen beantwortet. Wichtig scheint jedoch ein allgemeiner Spielspaß, aber auch Wettkampf und Ehrgeiz, Spannung und „Action" sowie Nachdenken und Tüfteln zu sein. Kinder scheinen auch Wert zu legen auf gute Grafik und guten Sound. Dabei ergab die spezifische Auswertung nach Gruppen weitere interessante Aspekte:

Die oftmals schwierigen Spiele werden nur bei 61% der Befragten (n = 99) durch alle Level zu Ende gespielt, wobei Jungen die weitaus ehrgeizigeren sind. Im Spiel steckenzubleiben und danach befragt, wie sie sich dabei fühlen, antworteten 29% „ärgerlich" bzw. „doof", 20% spürten „Wut und Zorn" und 18% kreuzten „mies" bzw. „niedergeschlagen" an. Auch hier waren wieder Mehrfachnennungen möglich. Die Gruppe derjenigen, die Wut und Zorn verspüren, läßt sich noch genauer kennzeichnen:

Trotz all dieser Hürden im Spiel wollen dann fast die Hälfte der Kinder (48%) weitermachen bzw. sofort neu anfangen, nur 20% hören auf, um etwas anderes zu machen, und 16% gaben an, daß sie dann jemand um Hilfe fragen. Bemerkenswert ist, daß Jungen scheinbar weniger beharrlich sind. Häufiger als Mädchen gaben Jungen an, daß sie - wenn sie steckengeblieben sind - aufhören und was anderes machen. Statt ganz aufzuhören oder alles noch mal zu versuchen, kann man Bildschirmspiele mit Lösungshilfen meistern. Dabei fiel auf, daß nur Jungen zu diesem Hilfsmittel greifen. Hinzu kommt, daß Gesamtschüler am häufigsten Lösungshilfen benutzen, während Grundschulkinder niemals Auflösungen benutzen.

2.5 Kommunikation über Bildschirmspiele

Im Zusammenhang mit der spielerischen Nutzung des Computers entstehen neue Kommunikationsanlässe mit Vater bzw. Mutter, Peers, Geschwistern und anderen. Interessant ist dabei, wie sich die Eltern-Kind- und die Kind-Kind-Kommunikation unterscheidet.

Kommunikation über den Computer entzündet sich meist zuerst an Problemen, die der einzelne im Umgang mit der Maschine hat. Auf die Frage, wen sie fragen könnten, wenn sie im Spiel steckenbleiben, antworteten 108 der Fragebogenteilnehmer (67%), daß sie bei Freunden um Hilfe fragen, jedoch 30% wendet sich an den Bruder bzw. 28% an den Vater; nur 11,2 % würden die Mutter fragen. Dabei konnte festgestellt werden, daß im allgemeinen ca. ein Drittel der Kinder den Vater fragen, jedoch nur 12% der Jugendlichen. Dabei stechen die Mädchen hervor, die häufiger als Jungen, beide Eltern um Hilfe bitten und sich auch öfter an die Schwester wenden. Jungen (und Videospieler allgemein) fragen dagegen signifikant häufiger Freunde um Hilfe, wenn sie im Spiel nicht weiterkommen. Die Möglichkeit, bei Hot-Lines bzw. Fachzeitschriften anzurufen, wird besonders von Jungen allgemein und Kindern von Alleinerziehenden als Möglichkeit angegeben, während Realschüler diese Hilfe überhaupt nicht nennen.

Erfahrungen mit Spielen werden bei weitem am häufigsten mit Freunden ausgetauscht, für eine kleinere Gruppe sind aber auch andere Familienmitglieder wichtige Gesprächspartner. Der Vater hat mit steigendem Alter des Kindes eine deutlich abnehmende Bedeutung als Gesprächspartner, nur 7 der Jugendlichen (17%) unterhält sich noch mit dem Vater über Bildschirmspiele. Darüber hinaus zeigte die Detail-Analyse, daß 23 Kinder (14%) ausschließlich mit Freunden reden, während 13 Kinder (8%) mit niemandem über Bildschirmspiele reden.

Neben der klaren Dominanz der Freunde, zeigten sich in bezug auf den Kommunikationspartner auch Gruppenunterschiede:

Den befragten Kindern/Jugendlichen - allesamt mit Bildschirmspielen zumindest vertraut - war aber auch klar, daß andere Kinder anders denken und es Kinder gibt, die sich nicht für solche Spiele interessieren: 48% von ihnen gaben an, daß sie auch Kinder kennen, die nicht über Bildschirmspiele reden möchten.

3. Diskussion und Schlußfolgerungen

Computerspiele sind in der hier untersuchten Stichprobe weiter verbreitet als Videokonsolen bzw. Gameboys, obwohl dafür die teuere Hardware nötig ist. Bereits im Grundschulalter hat das Bildschirmspiel eine festen Platz im Leben der Kinder als eine der Standard-Freizeitbeschäftigungen. Während diese jüngeren Kinder aber ausschließlich mit dem Gerät spielen, wird es von älteren Kindern und Jugendlichen auch zum Lernen benutzt. Wir konnten dabei im Einklang mit anderen Untersuchungen (vgl. Hoelscher, 1994; Dittler, 1993; Spanhel, 1990) feststellen, daß Mädchen unregelmäßiger und insgesamt weniger oft am Bildschirm sitzen und sich auch stärker von anderen Benutzern abhängig fühlen.

Informationen über neue Spiele beziehen Kinder im überwiegenden Maße von Freunden bzw. aus Gesprächen mit Schulkameraden. Die Familie spielt eine untergeordnete Rolle, wie auch Leu (1993) feststellen konnte, wobei Väter für jüngere Kinder und Mädchen noch eine gewisse Bedeutung, Mütter dagegen fast keine Relevanz haben. In der Familie sind die gleichgeschlechtlichen Geschwister für Jungen bzw. Mädchen wichtige Ansprechpartner am Bildschirm.

Zwei Drittel der Kinder beziehen Spiele per Tausch bzw. Raubkopie, wobei - mit Ausnahme der Hauptschüler mit Originalspielen - keine Hemmungen bestehen, Originale und Kopien zu kopieren. Verbotene Spiele sind davon nicht ausgeschlossen, wobei allerdings der Reiz des Verbotenen, und das Interesse, „sowas mal auszuprobieren" den Ausschlag geben.

Wenn die Kinder am Computer sitzen, dann sitzen sie dort häufig nicht allein. Auch solche Spiele, die nur fürs Alleinspielen konstruiert sind, werden regelwidrig - aber kreativ - gemeinsam mit Freunden gespielt („ich laufe, du schießt"), während Geräte wie der Gameboy, die auch für gemeinsames Spiel konstruiert sind, kaum dafür genutzt werden. Wie bereits Spanhel (1987) zeigen konnte, haben bildschirmspielende Kinder auch vielfältige andere Freizeitinteressen, wobei „Treffen mit Freunden". Sport und Fernsehen die wichtigsten sind. Unsere Ergebnisse weisen aber auch wichtige geschlechtstypische Muster auf: Neben den Bildschirmspielen ist Lesen als Freizeitbeschäftigung typisch für Mädchen, während Jungen signifikant weniger lesen.

Die Spielinteressen sind sehr vielfältig und können nicht mit einem Satz zusammengefaßt werden. Gestützt auf die Systematisierung von Spielen nach Fritz und Fehr (1993c) konnten wir keine signifikanten Bevorzugungen nachweisen. Allenfalls als Tendenz kann man schlußfolgern: Mädchen scheinen eher spaßig-witzige Spiele oder Geschicklichkeitsspiele zu bevorzugen, während Jungen eher längere Adventures durchspielen. Allerdings gaben auch mehr Jungen als Mädchen an, daß sie bei Problemen, im Spiel weiterzukommen, aufhören. Mädchen könnten also über stärkere Motivationen verfügen, ein angefangenes Spiel zu Ende zu führen. Dazu gedruckte Lösungshilfen zu benutzen, scheint jedoch jungenspezifisch zu sein. Eine genauere Analyse der Motivationsstruktur, wie sie Steckel, Trudewind, Slusarek und Schneider (1995) versuchen, ist uns dabei nicht gelungen.

Obwohl das Spielgerät meist in der Familie steht und von den Eltern finanziert wird, sind diese nicht die Hauptkommunikationspartner für die Kinder. Vielmehr werden bei Problemen mit dem Spiel in zwei Drittel aller Fälle Freunde gefragt. Im Erfahrungsaustausch allgemein haben Freunde einen noch höheren Stellenwert, wie auch in anderen Untersuchungen gezeigt werden konnte (vgl. Hoelscher, 1994; Dittler, 1993; Fritz, 1995). Ein bemerkenswertes Ergebnis unserer Studie ist, daß fast die Hälfte der Befragten auch Kinder kennt, die über Bildschirmspiele nicht reden wollen.

Die befragte Stichprobe ist zwar keineswegs repräsentativ für deutsche Kinder, die speziellen Zusammenhänge beim Spiel dieser Kinder können jedoch wichtige Anregungen für die pädagogische Arbeit und die weitere Forschung geben. Medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sollte in Zukunft berücksichtigen, daß in der Familie die Kompetenz der Eltern sehr beschränkt ist und gefördert werden könnte. Zusätzlich sollte auch das Verständnis für den Stellenwert von Bildschirmspielen als eine von verschiedenen möglichen Freizeitaktivitäten vermittelt werden. Dazu bedarf es weiterer Forschung zur Interaktion und Kommunikation mit neuen Medien in der Familie wie sie z.B. von Leu (1993) und Fürst (1993) angefangen wurde. Während die vorliegenden Ergebnisse ausschließlich auf den Aussagen von Kindern/Jugendlichen beruhen, sollte in weiteren Studien im Sinne eines ökopsychologischen Verständnisses der Entwicklung der Familie (vgl. Petzold, 1992) die Interaktion und Kommunikation aus der Sicht aller Familienmitglieder berücksichtigt werden

Literatur