Einleitung

Multimedia ist als Schlagwort heute überall im Gespräch. Aber handelt es sich um Multimedia, wenn eine gezeichnete Darstellung durch verbale Erläuterungen ergänzt wird? "Multimedia" meint mehr, und zwar wird heute meist die Interaktivität betont. Aber auch wenn die Erklärungen zur gezeichneten Darstellung im Zuhörer-/Zuschauer-Kreis interaktiv diskutiert würden, wird daraus noch kein Multimedia. "Multimedia" wurde als Begriff der Integration verschiedener Darstellungsmodi mit Hilfe des Computer geboren. Das Wichtigste ist dabei das Zusammenwirken verschiedener Medientypen (Texte, Bilder, Graphiken, Sprachanmerkungen oder Geräuschsequenzen, Animationen) in einem Multimedia-System. Den elektronischen Medien kommt dabei die führende Rolle zu. Das klassische Medium des Fernsehen wird in solche Multimedia-Systeme eingebunden, es wird interaktiv und wächst mit dem Computer und dem Internet zusammen. Wenn nun gar in Zukunft Computer in weiter Bereiche des Familienlebens drängen, werden auch die Mikrowellen, Kühlschränke und Staubsauger "multimedial".

Die Zukunft der totalen Multimedia-Familie mag manchen erschrecken, andere Ungläubige erheitern, aber unsere Kinder leben bereits damit. Schneller als wir denken können, haben es Kinder gelernt, Hausaufgaben bei laufendem Fernseher zu erledigen. Fahrten - per Auto oder Straßenbahn - sind heute für viele ohne Walkman undenkbar und werden erst schön, wenn man gleichzeitig Gameboy spielt und auf die nächste Kurznachricht des Handy wartet. In sich selbst schon multimediale Computerspiele werden noch zusätzlich durch eigene Audio-CDs begleitet, und häufig wird gleichzeitig telefoniert...

Die heutigen Kinder wachsen in dieser Medienwelt auf, sie spielen schon im Kleinkindalter mit elektronischen Medien. Das lässt sich nicht mehr rückgängig machen und die Versuche mancher Zeitgenossen, ihre Kinder durch Verbote vor den neuen Medien zu schützen, haben - wie jede Bewahrpädagogik - mehr oder weniger früh ein Ende, das dann - meist in der Pubertät - umso plötzlicher und radikaler kommt.

Die Auswirkungen dieser Multimedia-Welt auf die Entwicklung der Familie und die individuelle soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern zu erforschen, ist eine Aufgabe, der sich heute Sozialwissenschaftler verschiedener Disziplinen stellen. Umfassende Antworten werden Handbücher füllen, aber die Forschung steht noch am Beginn. Daher kann auch das vorliegende Buch nur wenige Fragen beantworten und dafür umso mehr Probleme aufwerfen.

Zunächst wird im ersten Kapitel ein Blick auf die sich heute überall ausbreitenden neuen elektronischen Medien geworfen, die man unter dem allgemeinen Schlagwort Multimedia zusammenfasst. Diese Medien haben insbesondere als neue Kommunikationsmittel einen nicht zu unterschätzenden wachsenden Einfluss auf den Alltag und das Familienleben. Dies wird auch speziell mit dem Blick auf das Internet diskutiert, wobei Chancen und Gefahren abgewogen werden. Dass möglicherweise jede Sequenz unseres alltäglichen Familienlebens in Zukunft durch diese neuen Medien bestimmt werden könnte, wird in einer Zukunftsvision zum Schluss dieses Kapitels beschrieben.

Im zweiten Kapitel wird zunächst diskutiert, dass Familie heute in sehr verschiedenen Formen auftreten kann. Psychologisch braucht man dazu auch eine andere Definition von Familie. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Familienformen ist wichtig, wenn man die Mediennutzung in der Familie untersucht. Dies wird mit Bezug auf den Fernsehkonsum deutlich. Weitere Aspekte der Mediennutzung in der Familie werden mit Blick auf die heutigen Lebenswelten und die Rolle der Werbung für Kinder und Jugendlichen diskutiert. Schließlich wird in einigen grundlegenden Aspekten angesprochen, wie die Medienkompotenz von Eltern gefördert werden könnte.

Im dritten Kapitel geht es um Computerspiele, Videospiele und Gameboys, die sich in der Lebenswelt der heutigen Kinder einen festen Platz erobert haben. Die Interaktion der spielenden Kinder/Jugendlichen mit anderen Personen (z.B. in der Familie) und die Kommunikation über Bildschirmspiele ist bisher selten untersucht worden. Dieses Kapitel berichtet nach einem allgemeinen Überblick über die Ergebnisse einer Düsseldorfer Untersuchung, die sich mit dem Zugang und der Anschaffung von Bildschirmspielen und besonders der Interaktion und Kommunikation beschäftigte, wozu in der zweiten Erhebung auch die Mütter und Väter separat befragt wurden. Die Auswertung berücksichtigt neben Altersunterschieden auch die Art der Schule und geschlechtstypische Unterschiede. Die Analyse der Motivstruktur ergab vier Motivgruppen: Gewaltdarstellungen spielen eine große Rolle, für eine andere Gruppe zählen lustige und witzige Aufgaben/Darstellungen, die Spaß machen und Geschicklichkeit, Anspannung, Erregung und Aktion fordern. Wieder andere bevorzugen Tüfteleien und Strategiespiele bzw. Abenteuer-, Simulations- oder Rollenspiele; viele suchen nur Ablenkung und Zeitvertreib. In Ein-Elter-Familien scheinen sowohl die Mütter als auch die Kinder häufiger am Computer zu sitzen.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Persönlichkeitstypen und Stilen der Computernutzung. In der Familie und bei der Arbeit nutzen immer mehr Menschen Computer für die verschiedensten Zwecke. Dabei sind es auch sehr verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen, die alle mit dem Computer arbeiten. Bisherige Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Persönlichkeitstypen und Stilen der Computernutzung werden diskutiert. Auf diesem Hintergrund wird eine eigene an der Universität Düsseldorf durchgeführte empirische Untersuchung vorgestellt. Dabei konnten vier Typen der Computernutzung ermittelt werden: Computer-Freaks und -Surfer, Computer-Ablehner und -Hasser, unerfahrene Computernutzer und leistungsorientierte Computernutzer. Als erstaunlichstes Ergebnis kann festgehalten werden, dass nicht die Computer-Freaks, sondern die Ablehner und Hasser sowie die Unerfahrenen psychologisch eher bedenkliche Persönlichkeitsprofile aufwiesen.

Telearbeit wird im fünften Kapitel thematisiert. Neue Formen, wie die alternierende Telearbeit und die veränderten Rahmenbedingungen, stoßen auf Resonanz und Akzeptanz von Seiten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, werfen jedoch auch Fragen auf. Der Blick in die Literatur lässt eine Fülle von Bedenken aufkommen. Dazu gehören soziale Isolation, Scheinselbstständigkeit, Selbstüberlastung, Benachteiligung von Frauen, z.B. durch die Vergabe von wenig qualifizierter Arbeit oder bei schwankender Arbeitsmarktlage die Gefahr eines schleichenden Auslagerungsprozesses. Doch es gibt auch positive Elemente. Telearbeit bietet ehemaligen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen, oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei hoch qualifizierten Teleheimarbeitern wird sogar von flexibler Arbeitsgestaltung für einige Privilegierte gesprochen. Mit Bezug auf die bisher vorliegende Forschung werden die psychosozialen Auswirkungen der Telearbeit und weitere Konsequenzen für die Familie diskutiert.

Im sechsten Kapitel wird die Mitwirkung von Kindern in Medien analysiert. Im Zuge der sich ausbreitenden Medienproduktionen werden auch zunehmend Kinder bei Produktionen für Film und Fernsehen und in der Fotobranche beschäftigt. Das strikte Verbot jeglicher Kinderarbeit - auch in Film- und Fotoproduktion - wurde im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes institutionalisiert und durch die staatliche Gewerbeaufsicht kontrolliert. Dieses generelle Verbot wird aber unterlaufen, indem man von künstlerischer Mitwirkung spricht. Um zu einer Neuregelung einer kontrollierten Mitwirkung von Kindern in der Medienproduktion zu kommen, wurden auch eigene psychologische Evaluationen erstellt. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen in der Film- und Fotoproduktion in Nordrhein-Westfalen sollen vorgestellt werden. Eine solche Evaluation bezieht sich nicht nur auf die Einschätzung der Belastungsfaktoren im Rahmen der Medienproduktion, sondern auch auf die familiären Sozialisationsfaktoren. In diesem Rahmen werden neue Überlegungen zur Umsetzung der Regelungen zur Mitwirkung von Kindern bei Film- und Fotoaufnahmen durch die Gewerbeaufsichtsämter diskutiert.

Abschließend wird im siebten Kapitel kurz und essayistisch skizziert, welche Chancen und Probleme sich aus der Nutzung der neuen elektronischen Medien in der Familie ergeben. Kinder wachsen heute mit einer Multimedia-Welt auf, die für Eltern bis vor kurzem unvorstellbar war. Mütter und Väter haben viele Sorgen und Befürchtungen, aber die Probleme liegen nicht in den Medien selbst, sondern in der Kompetenz der Menschen, die Medien kritisch und mit Gewinn für sich zu nutzen.