4.4 Persönlichkeitsprobleme von Computer- und Internetnutzern

Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung waren recht verschiedene Fragen. Wir wollten wissen, wie groß die Gruppe der euphorischen Computernutzer ist und welche anderen Gruppen von Computernutzern bestimmt werden können. Die in der Öffentlichkeit verbreiteten Vorurteile zur Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung, der sozialen Isolierung von Computernutzern und die Geschlechtsunterschiede in der Einstellung zu Computern wollten wir etwas genauer beleuchten.

Unsere Ergebnisse zur Typisierung der Computernutzer sind auf die unausgelesene Stichprobe von Düsseldorfer und Kölner StudentInnen beschränkt. Dennoch konnte mit diesen Ergebnissen gezeigt werden, dass es sehr verschiedene Arten der Computernutzung gibt. Erwartungsgemäß fand sich der Typ des euphorischen Freaks, der den modernen Personal Computer mit allen seinen Funktionen auch als Multimedia-PC und Kommunikationsmaschine nutzt. Ebenso zu erwarten war, dass es eine klare Gruppe gibt, die dem Computer skeptisch und kritisch gegenüber steht. Wir hatten allerdings befürchtet, dass diese Gruppe in unserer studentischen Auswahl kaum noch zum Tragen kommt und waren deshalb erstaunt, in der Clusteranalyse eine derart starke Besetzung mit n = 66 Versuchspersonen zu finden.

Während manche anderen Untersuchungen bei einer solchen dichotomen Gruppierung stehen geblieben sind (vgl. z.B. Famulla et al. 1992), zeigte unsere Analyse, dass zwei weitere Gruppen - zumindest in unserer studentischen Population - relevant sind. Das sind zum einen solche Studenten, die durchaus mit Computern konfrontiert sind, aber selbst noch keine Erfahrung im Umgang mit diesen Maschinen haben und vor dem Aufwand der Einarbeitung zurückschrecken. Ihre relative Distanz unterscheidet sich aber eindeutig von der strikten Ablehnung, die sich im zweiten Typ manifestiert, wobei nichts darüber gesagt werden kann, welcher von den beiden Typen tatsächlich mehr praktische Erfahrung im Umgang mit Computern hat. Schließlich ist auch interessant, dass mit dem vierten Typ der Computernutzer eine Gruppe bestimmt worden ist, die aus rein zweckrationalen Gesichtspunkten aktiv mit dem Computer arbeitet. Es handelt sich dabei um eher ältere Studenten höheren Semesters, die zur Literaturrecherche, für Seminararbeiten und schließlich die Abschlussarbeit effizient den Computer als Arbeitsmittel einsetzen. Es ist zu vermuten, dass ein solcher Typ der Computernutzung angesichts der Gestaltung des heutigen Büroalltags schon bald den bei weitem verbreitetsten Typ im Arbeitsleben darstellen wird.

Die Erwartungen in Bezug auf geschlechtstypische Unterschiede konnten in unserer Untersuchung voll und ganz bestätigt werden. Die enthusiastischen Computerfreaks sind mehrheitlich männlich. Dagegen finden sich in der Gruppe der distanzierten unerfahrenen Versuchspersonen eher Frauen. Allerdings konnte nicht bestätigt werden, dass Frauen per se die Gruppe der Computerhasser dominieren.

Differenzierte Ergebnisse konnten in Bezug auf die Zusammenhänge mit Persönlichkeitscharakteristika zu Tage gefördert werden. Durch den Einsatz des kompletten Freiburger Persönlichkeitsinventars in seiner modernen revidierten Fassung konnten über ähnliche Untersuchungen, die ebenfalls Persönlichkeitstests einsetzten (vgl. Pflüger & Schurz 1987, Sinhart-Pallin 1990) hinausgehende Erkenntnisse gewonnen werden. Einschränkend muss allerdings beachtet werden, dass sich unsere Erhebungen ausschließlich auf Selbstauskünfte, d.h. auf die eigene Person bezogene Einschätzungen stützen. Die These, dass intensive Computernutzer sozial vereinsamen, kann zum Beispiel nicht objektiv sondern nur auf die Selbsteinschätzung bezogen beantwortet werden. Dennoch ist es hoch interessant festzustellen, dass auf dieser Basis die These der sozialen Isolierung widerlegt werden konnte. Vielmehr konnte bei den Computerfreaks eine eher geringe Erregbarkeit und keine abnorme Persönlichkeitsstruktur diagnostiziert werden.

Die Gruppe derjenigen, die den Computer intensiv als Arbeitsmittel nutzt, wies allerdings Besonderheiten auf, die durchaus mit der Erwartung übereinstimmen: starke Erregbarkeit, massive Leistungsorientierung und geringe soziale Verantwortlichkeit. Es ist aber durchaus möglich, dass diese besonderen Persönlichkeitsmerkmale aus der starken Leistungsorientierung herrühren und nicht kausal mit der Computernutzung zusammenhängen.

Entgegen der Annahme, dass intensive Computernutzung zu Persönlichkeitsstörungen führt, konnten wir bei unserer studentischen Stichprobe feststellen, dass gerade die expliziten Computerhasser und die distanziert unerfahrenen StudentInnen durch hohe Werte auf der zusammenfassenden Neurotizismus-Skala (emotional labil, empfindlich, ängstlich, viele Probleme und körperliche Beschwerden) auffallen. Bei beiden Typen hängt dies vermutlich mit den jeweils hohen Werten auf den Skalen geringer Lebenszufriedenheit, starkem Stresserleben und Gesundheitssorgen bzw. körperlichen Beschwerden zusammen.

Diese starke Ausprägung der Persönlichkeitsprobleme bei den zur Computernutzung distanzierten bzw. ablehnenden StudentInnen könnte aber auch dadurch beeinflusst werden, dass sich im heutigen Uni-Alltag der Computer mehr und mehr durchsetzt und für erfolgreiche StudentInnen zum notwendigen Arbeitsmittel wird. Diejenigen Studenten, die schon durch persönliche Bedingungen und/oder Studienprobleme belastet sind, werden möglicherweise den Umgang mit dem Computer entsprechend problematisieren. Insofern könnte hier eine verstärkte negative Selektion vorliegen.

Die pauschalen Befürchtungen, durch intensive Computernutzung entstünden nachhaltige Persönlichkeitsstörungen müssen also angesichts dieser Ergebnisse zurückgewiesen werden. Demgegenüber zeigte unsere Untersuchung, dass nicht die Computer-Freaks, sondern die Ablehner und Hasser sowie die Unerfahrenen psychologisch eher bedenkliche Persönlichkeitsprofile aufwiesen.

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