TELEFAM.DOC letzte Bearbeitung am 08.12.96

Matthias Petzold

unter Mitarbeit von Sigrid Bruckmann

Wie wirkt sich Telearbeit auf die Familie aus?

Zusammenfassung:

Telearbeit - seit den 80er Jahren im Gespräch und Thema gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen - wird heute im großen Stile realisierbar. Diese "neue" Telearbeit und die veränderten Rahmenbedingungen werfen zahlreiche Fragen auf. Als zentrale Frage wird im folgenden mit Bezug auf die bisher vorliegende Forschung diskutiert, wie sich Telearbeit auf die Familie auswirkt. Ein Überblick über die Literatur verdeutlicht eine Fülle von Bedenken. Dazu gehören beispielsweise: Mangel an Kontakten zu anderen Betriebsangehörigen, Tendenz zur Selbstüberlastung, Abbau sozialer Beziehungen, Benachteiligung von Frauen und Verstärkung der Doppelbelastung von Familien- und Beruzfasrabeit. Aber auch von einem Privileg flexibler Arbeitsgestaltung für wenige wird gesprochen. Die damit zusammenhängenden psychsozialen Auswirkungen der Telearbeit und weitere Konsequenzen für die Familie werden im folgenden diskutiert.

1. Stellenwert von Telearbeit

Die USA sind das Ursprungsland der Telearbeit bzw. des "telecommuting". Neben den Telearbeitsprogrammen, die z.B. bei Control Data, Mountain Bell, Rising Star, Concept, Heights Information oder der Interactive Systems Corporation überwiegend für qualifizierte Fachkräfte (der Datenverarbeitung, Programmierung etc.) eingerichtet wurden, zeigt sich ein weiterer Anwendungsschwerpunkt im Bereich der Datenerfassung (Godehardt 1994, S. 30). Die Gründe dafür waren ausschließlich wirtschaftlicher Natur. Man kann heute davon ausgehen, "daß in den USA etwa 9.2 Millionen Menschen zumindest zeitweise (z.B. nach Feierabend) zu Hause mit Computer und Datenleitung arbeiten. Weitere 7.6 Millionen haben schon völlig auf einen betrieblichen Arbeitsplatz verzichtet und arbeiten als "Telecommuter" im eigenen Hause. Seit 1992 wächst die Zahl der Telecommuter in den Vereinigten Staaten um jährlich 15% (vgl. Hendricks, 1994). In der Übersicht zur Situation der Telearbeit in den USA schließt sich Heck (1991) der euphorischen Prognose an: Es sei zu erwarten, daß in den USA bis zum Jahr 2000 etwa 10% bis 20% als Telearbeiter arbeiten.

In Deutschland ist Telearbeit seit den 80er Jahren im Gespräch, doch es scheint, daß der Durchbruch durch die besseren technischen Bedingungen (z.B. Verfügbarkeit von ISDN) erst heute gelingen könnte. Die wachsenden ökonomischen und ökologischen Probleme mit dem Personentransport auf den Straßen, die sich ständig ausbreitende Erfahrung und Vertrautheit mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik und die Wünsche der Arbeitnehmerschaft nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und privater Lebensführung, scheinen die Ausbreitung der Telearbeit zu begünstigen, wobei die alternierende Teleheimarbeit, bei der die Mitarbeiter noch einen Teil ihrer Arbeitszeit im Betrieb ableisten, favorisiert wird.

Eine sehr optimistische Einschätzung vertreten Glaser und Glaser (1995) im Forschungsbericht über die Außerbetrieblichen Arbeitsstätten der IBM Deutschland. "Eine bisher ungekannte Flexibilität der Arbeitsorte und Arbeitszeiten wird möglich. Eine Form, sie zu realisieren, ist die Telearbeit, die in unserer Untersuchung darin besteht, daß Büroangestellte wesentliche Teile ihrer Berufsarbeit in der Privatwohnung ableisten, wobei sie einen mit dem Netz des Unternehmens verbundenen Computer als wichtigstes Arbeitsmittel benutzen... Nur flexible Organisationen können auf schwierigeren und sich immer schneller wandelnden Märkten noch bestehen." (S. 2). Sie halten auch die Bedingungen für die Ausbreitung der Telearbeit für erfüllt: Leistungsfähigkeit, Massenverfügbarkeit und Preisgünstigkeit der vernetzten Computer und der technische Stand der Software.

Doch in der Realität ist es so, daß die Zahl der Arbeitsplätze in den eigenen vier Wänden weit unter den Erwartungen zurückliegt. Rolf Kreibich vom Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertungbehauptet sogar, daß die Zahl der Veröffentlichungen über Teleheimarbeitsplätze die Zahl der Teleheimarbeitsplätze überschreite. Werner Dostal (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung an der Bundesanstalt für Arbeit) rechnet damit, daß sich Mischformen der Telearbeit entwickeln, in denen traditionelle Büroarbeit zeitlich und räumlich entkoppelt wird und selbständige Arbeit stärker informationstechnisch angebunden werde (vgl. Hartge 1993). Jedoch plane eine wachsende Zahl von Unternehmen die Einführung dezentralisierter Arbeitsmodelle. Von rund 800 Unternehmen erklärten über 20%, eine Dezentralisierung und damit eine Einführung von Telearbeit in irgendeiner Form schon vollzogen zu haben oder aber zu planen. Rund 15%, das entspricht 126 Unternehmen in dieser Studie, haben danach Formen von Telearbeit eingeführt.

Teleheimarbeit ist also keine spektakuläre Arbeitsform. Gewachsene Arbeitsstrukturen, die gegenwärtig noch sehr hohen Kosten für die Einrichtung von Teleheimarbeitsplätzen, die Datenschutzgesetzgebung, mangelnde Motivations- und Kontrollmöglichkeiten der Führungskräfte sowie der Widerstand von Mitarbeiter/innen und deren Interessenvertretungen gegen den Abbau von Normalarbeitsverhältnissen mit den dazugehörigen arbeits- und sozialrechtlichen Garantien, sprechen gegen diese Arbeitsform. Zu rechnen ist allerdings mit einem schleichenden Auslagerungsprozeß, bei dem insbesondere Frauen als potentielle Teleheimarbeiterinnen für Betriebe geeignet erscheinen. Es ist zu erwarten, daß Betriebe die Risiken schwankender Arbeitsmartktlage auf sie abwälzen werden (vgl. Goldmann & Richter 1992).

2. Allgemeine Charakteristika der Telearbeit

Telearbeit kann sehr unterschiedlich realisiert werden und hat daher auch verschiedenste indirekte Auswirkungen auf die Familie. Zunächst muß grundlegend nach vier Kriterien differenziert werden:

  1. Qualifikation: Bildungsvoraussetzungen und Art der Arbeit,
  2. Ausmaß der häuslichen versus betrieblichen Anwesenheit,
  3. Art der Kontrolle,
  4. Möglichkeiten der Kommunikation.

Seit langem bekannt sind einerseits minimale, andererseits maximale Formen der Telearbeit. Während klassiche Heimarbeiterinnen im Sinne ausschließlicher (maximaler) Telearbeit oft nur beliefert wurden, und nur über diesen Lieferanten einen Kontakt zu dem Unternehmen hatten, gibt es auch die andere Form der minimalen Telearbeit schon länger, denn schon oft haben (meist leitende) Angestellte oder Selbständige noch ein wenig Arbeit zur Erledigung mit nach Hause genommen, auch wenn sie ihren vollen Arbeitsplatz im Büro hatten.

Im Unterschied zur Heimarbeit früherer Jahre geht es bei der modernen Telearbeit von heute um die Dezentralisierung von qualifizierten Aufgabenfeldern aus den Bereichen Management, Verkauf, Daten- und Textbearbeitung sowie Programmierung etc. Oder anders ausgedrückt: Telearbeit kann als Oberbegriff für dezentralisierte, informations- und kommuniationstechnisch unterstützte Arbeitsplätze bzw. Arbeitsformen verstanden werden. Auf der Grundlage eines solchen Verständnisses unterscheiden Büssing und Aumann (1996) vier Organisationsformen der Telearbeit:

1. Teleheimarbeit (isolierte, häusliche Telearbeit),

2. alternierende Telearbeit (Wechsel zwischen betrieblichem und häuslichem bzw. wohnortnahem Arbeitsplatz),

3. kollektive Telearbeit (Telearbeit in Nachbarschafts-, Satellitenbüros oder -centren),

4. mobile Telearbeit.

Die Teleheimarbeit weist den größen Dezentralisierungsgrad auf, hier ist die Wohnung gleich Arbeitsplatz. Die Tätigkeiten umfassen Text- und Datenverarbeitung, einfache Sachbearbeitung, Datenerfassung, Übersetzungsarbeiten sowie Programmierung.

Eigenschaft alternierender Telearbeit ist der regelmäßige Wechsel zwischen zentraler (in der Organisiation) und dezentraler (in der Wohnung) Arbeitstätigkeit. Diese Organisationsform impliziert Tätigkeiten, die nicht ausschließlich über Bildschirmarbeit erledigt und insofern nicht völlig ausgelagert werden können. Diese Arbeitsform bietet sich für höher qualifizierte Fachleute und Manager an.

Telearbeit in Satelliten- oder Nachbarschaftsbüros wird in einer Zweigstelle bzw. wohnort- oder kundennahen Räumlichkeit geleistet. Während ein Satellitenbüro ein "Ableger" eines Unternehmens ist, werden Nachbarschaftszentralen von verschiedenen Unternehmen angemietet.

Die mobile Telearbeit beschreibt einen ortsungebundenen Arbeitsplatz mit räumlich flexiblen Zugängen zur Telekommunikationsinfrakstruktur.

Das besondere Merkmal moderner Formen der Telearbeit ist die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologie, die auch in jede Familie hineinreicht (vgl. Petzold, 1994). Die Kommunikation mit Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden wird in der Regel über Telefon, Fax, Datenübertragung aber auch regelmäßige Treffen organisiert. Telearbeit kann heute nicht mehr mit häuslicher "Heimarbeit", sprich mit ungeschützter, niedrigqualifizierter Arbeitsverhältnisse und sozialer Isolation gleichgesetzt werden (vgl. Büssing & Aumann, 1996). Darüber hinaus bietet Telearbeit ehemaligen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich selbständig zu machen.

Die enormen technischen Umwälzungen in den Kommunikationsmedien lassen heute Formen der Telearbeit entstehen, die eine größere Vielzahl von Arbeitstätigkeiten umfassen können und in nahezu unbegrenzter Art mit einem mehr oder weniger starken Ausmaß betrieblicher Anwesenheit verbunden werden können. Mit neuen Technologien ist auch eine gute Erreichbarkeit möglich. Aus der IBM-Studie wird berichtet, daß befürchtete Probleme bezüglich der Erreichbarkeit der Mitarbeiter, der erschwerten Kommunikation und der geringeren Kontrolle nicht aufgetreten seien oder sich als leicht lösbar erwiesen hätten (Glaser & Glaser, 1995, S. 68).

Die neuen Formen der Telearbeit entstehen heute duch zwei neue Dimensionen: Erstens entwickeln sich verschiedene Formen des sowohl im Büro als auch zu Hause Arbeitens. Zweitens entstehen im Zuge der ökonomischen Dezentralisierungen mehr und mehr Satelittenbüros oder Zweigstellen o.ä., die aber direkt der Zentrale unterstellt sind. Dabei scheint die alternierende Telearbeit heute besonders im Blickfeld zu stehen, z.B. in Form von 2 Tagen im Büro und 3 Tagen zu Hause. Die Auswirkungen der alternierenden Telearbeit bei IBM wurden von den Managern fast genauso eingeschätzt wie bei den Mitarbeitern: "Dieses Resultat bedeutet, daß die alternierende Telearbeit die sonst bei Telearbeit auftretenden Probleme auch aus der Sicht der Manager zu lösen vermag. Bis zu zwei Tage häuslicher Arbeit pro Woche sind gänzlich unproblematisch, vier und mehr werden durchgängig als nachteilig angesehen. Die Grenze liegt bei drei Tagen und dürfte sich bei positiven weiteren Erfahrungen sicher noch nach ober verschieden lassen" (Glaser & Glaser, 1995, S. 71).

Die Art der Kontrolle ist im klassischen Management auf direkter Personalführung aufgebaut. Dies schließt mit ein, daß die Arbeit durch zeitliche Grenzen (Tages- und Wochenarbeitszeit) kontrolliert wird, das beeindruckendste Beispiel für diese Art der Kontrolle ist die Stechuhr hinter der Fabriktür. Diese Art der Kontrolle ist in der Diskussion der modernen Unternehmensführung - zumindest in bezug auf bestimmte qualifizierte Arbeiten - zunehmend kritisiert worden. Die neue Unternehmensführung basiert auf dem Schlagwort "ergebnisorientierter Kontrolle". Eigentlich ist auch die traditionelle Heim-Näherin nur ergebsnisorientiert kontrolliert (und bezahlt) worden, aber die Einführung ergebnisorientierter Kontrolle für qualifizierte Arbeite fällt beiden Seiten (Unternehmensführung und Gewerkschaften) heute schwer. Für qualifizierte Telearbeit ist dies aber die einzig realisierbare Form.

Telearbeit hat also viele Dimensionen und riesige Entwicklungsmöglichkeiten. Beim heutigen Stand sind aber schon einige psychologische Auswirkungen auf das Verhalten der Betroffenen und ihrer Familien festzustellen:

- mehr Frauen als Männer, und zwar besonders 30-40jährige mit ein bis zwei Kind(ern) machen Telearbeit,

- der Anteil der Frauen ohne Kinder liegt bei unter 20% (vgl. Goldmann & Richter, 1992; Hegener, 19??),

- hochqualifizierte Telearbeit wird oft als eine Auszeichnung für verdiente Mitarbeiter angesehen (Glaser & Glaser, 1995),

- Telearbeit wird oft nur für weniger interessante Projekte vergeben, die wichtigsten Projekte verbleiben in der zentrale (vgl. Goldmann & Richter, 1992),

- in Telearbeit Beschäftigte erfahren häufig weniger Akzeptanz als gleichwertige Kollegen (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

Das gravierendste generelle Problem der Telearbeit erwächst aus der gesamtgesellschaftlichen Rollenbewertung. Nach wie vor herrscht eine Unterbewertung der Reproduktionsarbeit in der Familie vor, die als disponibel, aufschiebbar und zeitlich nicht limitiert angesehen wird (vgl. Goldmann & Richter, 1992). Mit den durch die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaftebn ausgehandelten Grenzen der Arbeitszeit blieb immer - ein häufig zu kleiner - Raum für die Reproduktion bestehen. Mit der Aufhebung dieser Grenzen, der Verlagerung der Arbeit in die Familie durch die Methode der "ergebnisorientierten Kontrolle" wird die Aufgabe, die Arbeit in Produktion und Reproduktion gleichermaßen angemessen zu bewältigen, zur Aufgabe eines jeden Einzelnen und seiner Familie. Aus diesem Grunde hat die zunehmende Einführung von Telearbeit gravierende Auswirkungen auf die Persönlichkeit, gesellschaftliche Rollen und nicht zuletzt auf das systemische Funktionieren der Familie (vgl. Petzold, 1992).

3. Auswirkungen auf Persönlichkeit und Identität

Der Erfolg von Telearbeits-Programmen hängt nicht zuletzt davon ab, ob das jeweilige Programm dazu führt, Heim und Privatleben der Beteiligten in völlig fremdbestimmter Weise zu "kolonisieren", oder ob es ihnen Möglichkeiten eröffnet, Arbeit und Leben in eigener Regie zu gestalten. Eine solche Kololonialisierung der Familie durch die Arbeitswelt befürchtet zum Beispiel Huber: "Im Extrem stellt sich die Frage, ob nicht das Heim zu einem Erwerbs- und Konsumarbeitsplatz umfunktioniert wird und ob, statt einer situationsgerechten Zeitsouveränität, nicht von nun an latent oder offen jederzeit Arbeitszeit sein wird" (vgl. Huber, 1982, 173). Zentral wichtig ist dabei das Problem der Selbstdisziplin. Es ist bei Telearbeit erheblich größer bei flexibler Arbeit zu Hause, wie es Glaser und Glaser (1995) in der IBM-Studie nachweisen konnten. Telearbeiter sind mehr auf sich selbst angewiesen. So ist es im Betrieb leichter, einen Kollegen um Hilfe zu bitten als bei Telearbeit zu Hause (vgl. Glaser & Glaser, 1995).

Bei Telearbeit mit weniger qualifizierten Arbeiten scheint es nötig, sich eine Art Korsett für die Alltagsbewältigung zu schaffen. Diejenigen, die schon im Studium gern und selbständig gearbeitet haben, fühlen sich auch mit Telearbeit wohl. Sie können sich selbst kontrollieren, sich selbst motivieren und betrachten es als Privileg, zu Hause arbeiten zu dürfen. Nilles (1983, 5) meint daher, daß gute Telearbeiter/innen zur Gruppe der "high achievers" gehören müssen. Solche Leute sind "außerordentlich unabhängig, diszipliniert und können etwas leisten ohne bei der Hand genommen werden zu müssen. Sie sind gut organisiert und sich ihrer Sache sicher". Menschen dieses Typs besitzen auch die nötige Selbstsicherheit und das Verhandlungsgeschick, um gegenüber Vorgesetzten bzw. Auftraggebern eigene Interessen geltend zu machen (vgl. Olson, 1983a, 185). Bei einer Stichprobe von 32 Personen hätten 23 dieses Kriterium erfüllt. Huber weist auch darauf hin, daß sich zwischen Freiheit und Abhängigkeit, zwischen Individualisierung und Vermassung, zwischen Selbstbestimmung und Konformismus eine der tiefgehendsten Klüfte in der modernen Industriegesellschaft auftut: "Die Machtstrukturen in Markt und Staat verdammen die Massen desungeachtet zur Abhängigkeit, die ja nicht nur eine Lohnabhängigkeit ist, sondern davor noch in tiefer sitzenden psychologischen Abhängigkeiten wurzelt. Dies ist keine philosophisch-sozialpsychologische Abhandlung, aber es sei doch gesagt, daß die überwältigende Mehrheit der Menschen in dieser Gesellschaft keinerlei Chance besitzt, den liberalen Traum vom wunderbar unabhängigen, selbstbewußten und auch intrinsisch selbstdisziplierten Dasein zu verwirklichen" (Huber, 19??, 131-132).

Die amerikanischen Telecommunting-Berater Edwards und Edwards (1983) vertreten die Ansicht, daß die neuen Informations- und Kommunikations-Technologien eine einfache Verstärkerwirkung ausüben: Wenn man gerne um Heim und Familie herum ist, sei Telearbeit ein Traum, wenn nicht, ein Alptraum; wenn das Familienleben gut ist, werde es durch Telearbeit noch besser, wenn nicht, werde es vollends zu einem Horror.

Salomon und Salomon (1984) greifen in ihrer Einschätzung der individuellen Vorausssetzungen für Telearbeit Maslows Bedürfnishierarchie auf (1. physiologische Bedürfnisverwirklichung, 2. Sicherheit, 3. Zugehörigkeit, 4. Anerkennung und 5. Selbstverwirklichung) und stellen dementsprechende schichtspezische Unterschiede fest: "Für Unterschichtsangehörige, die einfache Schreib- und Routinetätigkeiten ausüben, sind die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz ein wichtiger Faktor der Arbeitszufriedenheit und Motivation. Sie stehen auf der dritten Stufe in Maslows Hierarchie, auf der 'Zugehörigkeit' dominiert. - Leitende Angestellte, Techniker, Akademiker u.a. stehen eher auf der vierten Stufe, wo vor allem 'Anerkennung' zählt. Vom jeweiligen sozialen Umfeld räumlich getrennt ('isoliert') zu arbeiten, berührt diese beiden Schichten auf unterschiedliche Weise" (Salomon & Salomon, 1984, S. 20). Sie folgern daraus, daß Telearbeit dann sehr befriedigend sein kann, wenn die Bedürfnisse nach "Zugehörigkeit" z.B. durch Einbettung in den Familien-, Freundschafts- und Nachbarschaftszusammenhang befriedigt werden können, während "Anerkennung" zusätzlich auch aus der Erwerbstätigkeit gewonnen werden kann.

Dem steht jedoch die Erfahrung gegenüber, daß fast alle Telearbeiter/innen in Familien zunächst einmal typische Rollenkonflikte erfahren. Fast alle haben gelernt, mit der räumlichen und zeitlichen Trennung von Funktionen wie Beruf, Elternschaft, Haushaltsorganisation, Freizeit/Sport usw. umzugehen, aber fast niemand hat Erfahrung mit ihrer räumlichen und zeitlichen Verquickung. Eine humorvolle Probandin von Ursula Huws antwortete auf die Frage, was der größte Vorteil der Telearbeit für sie sei: "den ganzen Tag bei den Kindern zu sein", und auf die Frage, worin der größte Nachteil liege, ebenfalls "den ganzen Tag bei den Kindern zu sein" (Huws, 1984a, 43). Aber die Chance, mehr am Leben der Kinder teilnehmen zu können, wurde überweigend nur von Frauen als Erfahrung berichtet (vgl. Glaser & Glaser, 1995). Besonders unregelmäßig auftretende Spitzenzeiten können dazu führen, daß die familiären Beziehungen zwischen Erwachsenen selbst und zwischen Erwachsenen und Kindern unter der Arbeit zu leiden haben.

Nicht nur Kinder haben große Mühe mit dem Widerspruch zu leben, daß jemand da ist und doch nicht da ist, das heißt, räumlich anwesend aber wegen Berufstätigkeit nicht ansprechbar. "Sich an den Umstand zu gewöhnen, daß Mama oder Papa bei der Telearbeit nicht gestört werden dürfen, kann für kleine Kinder anfänglich traumatisch sein" (Hiltz & Turoff, 1983, 11). Auch Freunde oder sonstige Besucher verhalten sich Heimarbeitern gegenüber anders als kämen sie zu ihnen ins Büro. Sie erwarten, daß man ihnen etwas anbietet, sie zum Dableiben und Essen einlädt, jedenfalls doch ausgiebig mit ihnen schwatzt o.ä. "Daß Teleheimarbeit 'elektronische Einsiedler' hervorbringe, die keine zwischenmenschliche Kontakte mehr hätten, ist eine Fehlwahrnehmung. Im Gegenteil führt diese Art zu arbeiten und zu leben gelegentlich zu einer allzu regen Geselligkeit. Zu Hause zu arbeiten heißt nicht im geringsten, alleine zu arbeiten" (ebda.). Es kommt aber darauf an, ob ein Kontakt zur betriebliche Arbeitswelt gepflegt wird. Trent, Smith und Wood (1994) verglichen 15 Telearbeiter, 9 Heimarbeiter und 14 Büroangestellte in bezug auf Umgang mit Streß und Social Support. Gerade die nur zu Hause arbeitenden klassischen Heimarbeiter hatten den größten Streß, während sowohl Telearbeiter als auch betriebliche Angestellte gleich wenig Streß erlebten. Sie vermuten als entscheidenden Grund, daß sich Telearbeiter durch den regelmäßigen Kontakt nicht einsam oder vergessen fühlen.

Um mit diesen Anforderungen umgehen zu können, benötigen Telearbeiter spezielle Coping-Strategien. Dabei kann man davon ausgehen, daß jeder Einzelne zwar mehr Möglichkeiten zu mehr Flexibilität und mehr Zeit für Haus und Familie sowie geringere Kosten für Fahrten zur Arbeit hat. Dennoch werden diese Vorteile häufig überschätzt. Das Hauptproblem ist das Gefühl der Isolation. Aber viele der negativen Auswirkungen können durch adäquate Copingstrategien überwunden werden. Die Ergebnisse von Normann et al. (1995) zeigen, daß solche Telearbeiter mit geringerer psychologischer Zufriedenheit den Streß der negativen Auswirkungen der Telearbeit als bedeutender eingeschätzt haben. Dagegen haben solche Telearbeiter mit größerem Maß an psychochologischer Zufriedenheit die negativen Auswirkungen als nicht so wichtig angesehen. Telearbeiter, die sich selbst als zufrieden mit ihrer Arbeit einschätzten, haben auch Streß nicht wahrgenommen. Die Art der Auswirkung negativer Bedingungen hängt also wesentlich von den individuellen Dispositionen ab.

Schließlich stellt sich aus der Persönlichkeitsforschung die klassiche Frage: Sind Introvertierte oder Extrovertierte besser für Telearbeit geeignet? Dazu gibt es noch nicht viele stichhaltige Ergebnisse. Man könnte meinen, daß nur Introvertierte geeignet sind, ohne soziale Kontakte ihre Arbeit zu Hause zu erledigen, der Extravertierte dagegen doch eher den starken sozialen Kontakt braucht und beim außerbetrieblichen Arbeitsplatz schnell unter einem Gefühl der Vereinsamung leiden würde. Glaer & Glaser (1995, S. 60) fanden dagegen, daß gerade extravertierte Personen sich für außerbetriebliche Arbeit eignen: Sie verfügen über genügend Selbstvertrauen, die Intensitiät ihrer Sozialbeziehungen durch Eigeninitiative nach ihren Wünschen gestalten zu können und haben bei eingeschränkten beruflichen Kontakten mehr Kompensationsmöglichkeiten im privaten Bereich. Der Introvertierte ist dagegen vielmehr auf die sich aus der gemeinsamen Arbeit zwangsläufig ergebenden Kontakte angewiesen.

Inwieweit Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten vermißt wirde, gerade das Besprechen und Lösen von betrieblichen Problemen, ist im Moment noch nicht genügend untersucht worden. Die Koordination von Treffen aller Kollegen und Vorgesetzten zu einem bestimmten, festgelegten Zeitpunkt könnte bei größerer Ausbreitung der Telearbeit zu einem Problem werden. Am stärksten wirkt sich dies "auf die Meetings mit Teamkollegen aus, bei denen sicher mehr gegenseitige Terminabstimmung nötig ist als früher. Auch das persönliche Zweiergespräch mit dem Vorgesetzten oder den Teamkollegen erfordert mehr Absprachen" (Glaser & Glaser, 1995, 53 ff).

Die IBM-Studie analysierte als einzige der uns vorliegenden deutschen Untersuchungen mögliche psychosoziale Probleme der Telearbeit. Dazu gehören beispielsweise der Mangel an informellen Kontakten zu anderen Betriebsangehörigen, stärkere private Vereinsamung, Tendenz zur Selbstüberlastung, zum Nicht-Aufhörenkönnen, Hineintragen von Belastungen des Berufes in die Familie oder Partnerschaft und Störungen bei der Arbeit aus dem privaten Raum heraus. Diese Fragen nahmen daher auch in dem Interview einen großen Raum ein. Insgesamt zeigte sich, daß die befragten IBM-Mitarbeiter ein gut entwickeltes Problembewußtsein zeigten und die meisten denkbaren Schwierigkeiten durch ein hohes Maß an bewußter, flexibler Gestaltung ihrer häuslichen Berufsarbeit entweder ganz vermeiden oder sehr gut meistern konnten.

4. geschlechtstypische Aspekte der Telearbeit

In den USA hatte die Telearbeit besonders in Form wenig qualifizierter Teleheimabeit bereits zu Beginn der 80er Jahre eine wachsende Bedeutung. Hier sahen engagierte Gewerkschafterinnen "eine patriarchalische Unternehmenstrategie am Werk, um betriebliche Rationalisierungen vor allem auf Kosten der Frauen zu verwirklichen" (zit. aus Bahl-Benker, 1985b, 85ff.; Kingston, 1983, 290). Teleheimarbeit wurde daher von den Gewerkschaften skeptisch bis negativ beurteilt: "Es drängt sich der Verdacht auf, daß elektronische Heimarbeit gerade deshalb als so frauenfreundlich propagiert wird, weil sie mit dem alten Leitbild der 'Frau am Herd', das derzeit angesichts der Arbeitslosikgeit zur 'neuen Mütterlichkeit' aufpoliert wird, relativ problemlos vereinbar ist. Teleheimarbeit als Chance, die patriarchalische Arbeitsteilung noch über weitere Generationen zu retten?" (Bahl-Benker, 1985a, 5).

Dagegen vertrat Jack Nilles, der Telecommuting-Pionier die Ansicht: "Das Los der Frauen in der heutigen Arbeitswelt ist nach wie vor kein besonders glückliches, aber Telearbeiterinnen scheinen doch bessere Möglichkeiten zu haben" (Nilles, 1983, 7). Mit Blick auf die Männer selbst wird darauf hingewiesen, "daß durch den Einsatz von Telearbeit das Zeitbudget von Frauen und Müttern total genutzt werden kann und sie somit, ohne daß die Doppelbelastung durch Hausarbeit und Kinder reduziert wird, als Arbeitskräfte gegenüber ihren männlichen Kollegen konkurrenzfähiger werden" (Straub, 1984, 64).

Während Frauen eher wenig qualifizierte und niedrig bezahlte Telearbeit verrichten kann davon ausgegangen werden, daß Männer eher dazu neigen, sich selbständig zu machen, und dafür dann auch qualifizierte Telearbeit als eine Arbeitsform realisieren. Für männliche Teleheimarbeiter ist die Tätigkeitsform nicht als Möglichkeit zur Überbrückung von Zeiten umfangreicher Anforderungen aus Familienpflichten entstanden. Sie bietet für sie eine berufliche Perspektive, die sich durch größere Unabhängkeit von betrieblichen Zwängen und hierarchisch bestimmten Arbeitsstrukturen auszeichnet. Dafür nehmen sie gerne in Kauf, daß sie mehr als 8 Stunden täglich arbeiten müssen. Sie glauben aber daran, wenn sie mit ihrem "Einmannbetrieb" einmal fest im Sattel sitzen, daß sie dann ihre Arbeitszeit reduzieren können (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

Frauen sehen dagegen häufig Telearbeit nur als temporäre Notlösung in besonderen Familiensituationen. Allerdings erwarten Frauen mehr als Männer soziale Kontakte im Beruf, die ihnen dann bei Telearbeit umso mehr fehlen. 80% der Frauen, aber nur 28,6% der Männer fürchteten, durch ihre Abwesenheit könne sich die betriebliche Kommunikation verschlechtern. Gestützt auf die Analyse des IBM-Projekts "spricht dies für eine stärker auf Sozialbeziehungen ausgerichtete Berufsarbeit bei Frauen. Von daher läßt sich das Empfinden einer schlechteren betrieblichen Kommunikation auf der außerbetrieblichen Arbeitsstätte durchaus als eine bei Frauen deutlicher als bei Männern ausgeprägte Angst, zu Hause vergessen zu werden, interpretieren" (Glaser & Glaser, 1995, 50 ff).

Der persönliche Tagesablauf eines IBM-Mitarbeiters richtet sich nach den familiären Ansprüchen, so sind z.B. Kindergarten- und Schulzeiten fest im Tagesablauf eingeplant und zu berücksichtigen. Viele der Mitarbeiter, die zu Hause arbeiten, nutzen die Dienstzeit für Behördengänge, Einkaufen etc. und richten ihre Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall. Glaser und Glaser weisen aber auch darauf hin, daß es Grenzen der Flexibilität im Tagesablauf gibt. Berufliche Notwendigkeiten legten bestimmte Arbeitszeiten fest und die Anwesenheit zur Kernarbeitszeit war für viele von großer Bedeutung. Unter dieser Bedingung, gab nur ein Fünftel an, dann zu arbeiten, wenn sie sich am leistungsfähigsten fühlten. Ein deutlicher Geschlechtsunterschied zeigte sich bei der Frage, in welche Zeiten man ungestört arbeiten kann. Frauen dachten dabei offensichtlich an Zeiten, an denen sie nicht durch Kinder angesprochen werden können, bei Männern schien das eher eine untergeordnete Rolle zu spielen und es wurde dabei wohl an Zeiten gedacht, an denen sie nicht durch Anrufe gestört werden konnten. Selbstdisziplin, die erforderlich ist, um zu Hause zu arbeiten, schien auch eine untergeordnete Rolle zu spielen, mit dem die Mitarbeiter von IBM kein Problem hatten. Die außerbetriebliche Arbeit schienen die Mitarbeiter als Privileg zu empfinden. Freude an der Arbeit selbst war bei diesen Mitarbeitern ein hohes Leistungsmotiv, dem sie auch einem beruflichen Aufstieg gegenüber den Vorzug geben würden.

Anfängliche Befürchtungen der IBM-Mitarbeiter, durch ihre Abwesenheit könne sich die betriebliche Kommunikation verschlechtern, bestätigten nur etwa 25%. Weniger Informationen aus dem Betrieb zu erhalten, gaben etwa 37% an. "Interessant ist hier ein deutlicher Geschlechtsunterschied: Innerhalb der Gruppe der wohnungszentrierten IBM-Mitarbeiter sind es primär die Frauen, die diese Befürchtung hatten (80%) im Vergleich zu 28,6% bei den Männern, und für die diese Befürchtung auch eingetreten ist (50% im Vergleich zu 7,1% bei den Männern). Wenn man weiterhin bedenkt, daß für die weiblichen Mitarbeiter bei ihrer ursprünglichen Berufswahl nach eigenen Angaben die Möglichkeit, Kontakt mit Menschen zu haben, signifikant wichtiger war als für Männer, daß sie es generell wichtiger finden als Männer, sich bei ihrem Vorgesetzten informell in Erinnerung zu bringen, und daß sie sich in stärkerem Maße einen Vorgesetzten wünschen, der die persönliche Nähe zum Mitarbeiter betont als Männer, so spricht dies für eine stärker auf Sozialbeziehungen ausgerichtete Berufsarbeit bei Frauen. Von daher läßt sich das Empfinden einer schlechteren betrieblichen Kommunikation auf der außerbetrieblichen Arbeitsstätte durchaus als eine bei Frauen deutlicher als bei Männern ausgeprägte Angst, zu Hause vergessen zu werden, interpretieren" (Glaser & Glaser, 1995, 50 ff).

Hochqualifizierte Frauen in der Software-Herstellung, die Kinder haben oder sich mit ein Kinderwunsch auseinandersetzen, haben erhebliche Probleme bei der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsaufgaben. Sie halten Teleheimarbeit nicht für die beste Lösung, sondern tendieren eher zu einem betrieblichen Arbeitsverhältnis bei reduzierter Arbeitszeit. Es ist ihnen bewußt, daß sie dadurch dem Betrieb nicht mehr voll zur Verfügung stehen und Einschränkungen in bezug auf Qualität der Arbeit und Kommunikationsprobleme mit Kolleginnen und Kollegen hinnehmen müssen. Diese Frauen können nach der Geburt ihrer Kinder durchsetzen, zu Hause zu arbeiten, müssen allerdings die Erfahrung machen, daß sie bereits nach kurzer Zeit nur noch für weniger interessante Projekte eingesetzt werden, daß ihnen die innerbetriebliche Kommunikation fehlt und ihre Akzeptanz als gleichwertige Kollegin sinkt (vgl. Goldmann & Richter, 1992). Diese Befürchtungen werden von Frauen stark empfunden, wobei man allerdings berücksichtigen muß, daß gerade Frauen schon vom Berufswunsch her, Kontakte mit anderen Menschen haben wollen. Sie sind es dann auch, die bei außerbetrieblicher Arbeit die Kontakte am meisten vermissen, wie Glaser und Glaser (1995) feststellten.

Auffallend für diese Gruppe von Frauen ist, daß sie stärker als alle anderen befragten Teleheimarbeiterinnen die Probleme betonen, die ihre Tätigkeit zu Hause aufwirft. Der mangelnde betriebliche Kontakt wird als gravierender Nachteil für die Arbeit zu Hause begriffen. Die mangelnde Abschirmung von Anforderungen durch Familienmitglieder und insbesondere Kleinkinder belastete die Arbeit derart, daß sie trotz (oder wegen) ihrer Arbeit zu Hause zeitweise Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder organisieren müssen oder nur arbeiten können, wenn der Ehemann zu Hause ist. Alle Frauen würden lieber einen größeren Teil ihrer Berufsarbeit im Betrieb erledigen, wo sie mehr Ruhe hätten (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

Die vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollen und die damit verbundene Arbeitsteilung mit ihren mannigfaltigen negativen Auswirkungen für Frauen (aber auch für Kinder und deren Beziehung zu den Vätern) ist in den Industrienationen eng an die Lebensform der Kleinfamilie gebunden. Aber diese Lebensform befindet sich zur Zeit im Umbruch. In den Städten Zürich und München sind beispielsweise die Hälfte aller Haushalte Einpersonenhaushalte und nur in jedem fünften Haushalt leben Kinder. Diese Entwicklung ist u.a. darauf zurückzuführen, daß die Kleinfamilie den neuen Anforderungen der Arbeitswelt nach Flexibilität und Mobilität nicht mehr genügt, insbesondere dann nicht, wenn beide Elternteile berufstätig sind. Es komt so zu einer Pluarilisierung der familiären Lebensformen (vgl. Petzold, 1992). Aus soziologischer Sicht wird sogar behauptet, die Familie als Lebensform werde verdrängt durch einen neuen individualisierten Lebensstil: "Es entstehen der Tendenz nach individuelle Existenzformen und Existenzlagen, die die Menschen dazu zwingen, sich selbst - um des eigenen materiellen Überlebens willen - zum Zentrum der eigenen Lebensplanungen und Lebensführung zu machen" (Beck, 1986, 116).

Auch wenn der Arbeitsmarkt für Frauen immer noch weitgehend eingeschränkt ist, wollen viele Frauen deshalb nach einer Familiengründung - auch in Fällen, in denen sie finanziell nicht darauf angewiesen sind - baldmöglichst wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auch dort, wo Hausarbeit und/oder Kinderbetreuung teilweise delegiert werden können, fühlen sich meistens die Frauen - und nicht die Männer - für die in der Praxis oft komplizierte Organisation dieser Arbeiten verantwortlich. Gelingt eine solche Organisation, kann das Problem aber insofern noch nicht als gelöst betrachtet werden, als sich häufig bei den Frauen Schuldgefühle gegenüber den Kindern einstellen, die sich dann nicht nur auf die Befindlichkeit der Frau, sondern vor allem auf die Beziehung zu den Kindern negativ auswirken. Eine Erwerbstätigkeit in teilzeitlicher Anstellung mildert zwar die angesprochene Problematik, muß aber sehr oft mit dem Nachteil unterqualifizierter Tätigkeit erkauft werden (vgl. Beck, 1986, 309).

Opfer dieser Rollenstruktur sind nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch die Kinder. Sie sind gleichsam das schwächste Glied in der Kette, weil sie in Bezug auf ihre Situation absolut keine Wahlmöglichkeiten haben. Für sie ist gut oder schlecht, was ihre Eltern als gut oder schlecht betrachten. Und die Betrachtung richtet sich nur allzu häufig in erster Linie nach den Interessen der Eltern. In der typischen Kleinfamilie besteht ein krasses Mißverhältnis zwischen den Präsenzzeiten von Vater und Mutter. Dadurch wird nur die Mutter zur eigentlichen Bezugsperson für das Kind. Einer gesunden psychischen Entwicklung ist diese Einseitigkeit sicherlich nicht förderlich. Wenn die Annahme richtig ist, daß eine stabile frühkindliche Eltern-Kind-Beziehung für die Entwicklung sozialer Kompetenz wichtig ist, wird die Situation für Kinder, die bereits in frühem Alter mit ständig wechselnden Bezugspersonen konfrontiert werden, weil beide Elternteile vollzeitlich erwerbstätig sind, noch problematischer.

Diese Rollenverteilung zwischen Mann und Frau beinhaltet auch eine Unterbewertung der häuslichen Arbeiten. Dagegen wird immer wieder eine Neubewertung dieser ungeliebten Hausarbeit gefordert. Im Rahmen der verschiedenen Möglichkeiten einer solchen Neubewertung könnte die Telearbeit eine besondere Rolle spielen, da Telearbeit zur Aufhebung der räumlichen Trennung zwischen Erwerbs-, Familien- und Hausarbeit beitragen könnte. Das ist aber nur selten der Fall, da die Überbewertung der männlichen Arbeit und die Unterbewertung der weiblichen Arbeit auch hier bestehen bleibt.

5. Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Mit Telearbeit scheint die Wiedervereinigung von Haus- und Erwerbsarbeit möglich zu werden. Viele, die Telearbeit praktizieren, sehen in dieser Form der Arbeit eine Möglichkeit, die sich widerstrebenden Tendenzen nach beruflicher Mobilität, Berufstätigkeit beider Elternteile und Gründung einer Familie zu vereinen.

Für die Industriegesellschaft war nach langen Eingewöhnungsphasen Erwerbsarbeit selbstverständlich außerhäusliche Arbeit. Diese Trennung von Familien- und Erwerbsarbeit wird durch Lockerung von Anwesenheitsregelungen, elektronische Vernetzungen dezentraler Arbeitsplätze usw. wiederum rückgängig gemacht. Die weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich nur ahnen: Entlastung des täglichen Berufsverkehrs, damit Entlastung der natürlichen Umwelt und menschlichen Mitwelt, mögliche Entstädterung der Städte, Einschränkung der alltäglichen Ortsmobilität, die gleichsam elektronisch delegiert und so bei räumlicher Immobilität sogar noch gesteigert werden kann usw. (vgl. Beck, 1986, 227).

Katz und Duell sehen die Telearbeit sehr optimistisch und meinen, "daß von Männern ausgeführte individuelle Telearbeit eine Chance zur Aufweichung traditioneller geschlechtsspezifischer Rollen und damit eine Chance für Veränderungen der Strukturen menschlicher Zusammenlebens sein könnte" (Katz und Duell, 19??, ???). Sie sehen aber auch negative Implikationen, weil unter den herrschenden gesellschaftlichen und arbeitsmarktlichen Bedingungen individuelle Telearbeit für Frauen mit sehr großen Nachteilen und Gefahren verbunden ist. Diese Nachteile liegen wohl besonders darin begründet, daß Frauen Telearbeit als temporär ansehen, während qualifizierte Telearbeit für Männer als Einstieg in die Selbständigkeit gesehen wird.

Aufgrund der gesellschaftlich vorherrschenden geschlechtsspezifischen Stereotypien haben insbesondere Frauen als Teleheimarbeiterinnen mit Vereinbarungsprobleme zu kämpfen. Qualifizierte Frauen wählen den Heimarbeitsplatz aus den Problemen der Nichtvereinbarkeit von Kindern und Beruf. Viele haben versucht, Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder zu finden, die sich jedoch dann als so wenig tragfähig oder als so belastend erwiesen, daß sie sich im Interesse ihrer Kinder zur Berufsaufgabe gezwungen sahen. Für alle Frauen war diese Entscheidung, ihren Beruf wegen der Kinder aufzugeben, ihre ureigene, private Angelegenheit, die auch dann, wenn sie diese mit ihrem Ehemann diskutierten, dessen Lebensgestaltung und Berufsperspektiven in keiner Weise berührte. Die Männer standen der Teleheimarbeit ihrer Frauen nicht negativ gegenüber. Insbesondere wegen des Beitrags der Frauen zum Familieneinkommen, aber auch weil sich ihre Frauen "ausgefüllt" fühlen sollen. Fast alle erwarteten jedoch, daß die Frauen trotz ihrer Arbeit ihre Familienpflichten nicht vernachlässigen und immer da sind, wenn sie gebraucht wurden (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

In diesen Familien halten die Ehemänner das Problem, Berufs- und Familienaufgaben miteinander zu vereinbaren, ausschließlich für die Angelegenheiten ihrer Fauen. Heimarbeit stellt aus ihrer Sicht die angenehmste Lösung des Vereinbarkeitsproblems dar. Folgerichtig beteiligen sie sich auch nur äußerst geringfügig an Haushalts- und Familienaufgaben. Über das Helfen bei "schweren" körperlichen Arbeiten oder die gelegentliche Mithilfe bei leichten Arbeiten, wie Staubsaugen oder Tischdecken, geht ihre Beteiligung meist nicht hinaus. Auch auf die Beteiligung der Väter bei der Kinderbetreuung können sich die Frauen kaum stützen. Die Kinder manchmal ins Bett zu bringen, am Wochenende einmal etwas mit ihnen zu unternehmen oder auch gelegentlich mit ihnen zu spielen sind typische Vateraufgaben. Die Fauen akzeptieren überwiegend ihre Verantwortlichkeit für die Familienaufgaben und versuchen, ihre Kinder und Ehemänner möglichst wenig von ihrer Berufsarbeit spüren zu lassen. Daß ihnen das nicht immer gelingt und sie in Streßphasen gereizt auf ihre Kinder reagieren oder ihe Männer doch einmal ihre Familienarbeit mitübernehmen müssen, betrachten sie eher als persönliches Versagen.

Die Aufhebung der Trennung von betrieblicher Arbeitsstätte und Privatwohnung bedeutet keineswegs, daß damit auch das Problem der Vereinbarkeit von Berufsarbeit und Familienaufgaben für diese Frauen gelöst ist. Familienbezogene Spielräume bei der Zeitgestaltung werden durch Art und Umfang der zu erledigenden Hausarbeit und anderer Familienaufgaben definiert. Diese wiederum sind abhängig von der Größe der Familie, dem Alter der Kinder, der finanziellen Situation der Familie etc. Die Flexibilität in diesem Bereich wird entschieden geprägt von den Arbeits- und Tagesrhythmen der einzelnen Familienmitglieder und von der Intensität, Dringlichkeit, Vorhersehbarkeit oder Nichtvorhersehbarkeit ihrer Bedürfnisse (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommt auch die IBM-Studie: "Die Meinungen in der Literatur zur Auswirkung eines häuslichen Arbeitsplatzes auf die Lebensqualität im ganzen sind zwiespältig. Zum einen herrscht beinahe Euphorie vor: bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Teilnahme am Leben der Kinder, Aufhebung der Trennung von Beruf und Privatleben. Zum anderen wird aber befürchtet, daß der Berufsstreß in die Familie getragen wird, daß die Familie unter einer dauernden Selbstüberlastung des arbeitenden Partners zu leiden hat und daß sich Alleinlebende durch den reduzierten Kontakt zu Kollegen isoliert fühlen. Hinsichtlich der Effektivität der Arbeit werden negative Auswirkungen durch Störungen aus dem familiären Raum heraus nicht ausgeschlossen" (Glaser & Glaser, 1995, 63ff).

Dagegen sieht Godehardt (19??) in der NRW-ISDN-Studie nur Vorteile der Telearbeit: verbesserte Möglichkeiten der Vereinbarung von familiären und beruflichen Zielvorstellungen, höhere Zeitautonomie und flexible Arbeitszeitgestaltung sind nur einige Beispiele. Die sozialen Probleme, die bei der früher diskutierten Form der Teleheimarbeit auftraten (Gefahr der sozialen Isolation), bestehen bei der alternierenden Form der Telearbeit nur eingeschränkt. Die Flexibilität ist auch nicht so groß, daß durch Telearbeit die Chance entstünde, häufiger als sonst spontan private Besuche zu machen und zu empfangen.

Die familienbezogenen Spielräume haben also klare Grenzen der Flexibilität in der Familienarbeit: Essenstermine, Schultermine, Kinderansprüche, insbesondere die eingefoprderte Flexibilität durch Intensität, Dringlichkeit, Vorhersagbarkeit bzw. Nichtvorhersagbarkeit der Anscprüche der anderen Familienmitglieder (vgl. Goldmann & Richter, 1992). Die Aufhebung der Trennung von betrieblicher Arbeitsstätte und Privatwohnung bedeutet keineswegs, daß damit auch das Problem der Vereinbarkeit von Berufsarbeit und Familienaufgaben für diese Frauen gelöst ist. Familienbezogene Spielräume bei der Zeitgestaltung werden durch Art und Umfang der zu erledigenden Hausarbeit und anderer Familienaufgaben definiert. Diese wiederum sind abhängig von der Größe der Familie, dem Alter der Kinder, der finanziellen Situation der Familie etc. Die Flexibilität in diesem Bereich wird entschieden geprägt von den Arbeits- und Tagesrhythmen der einzelnen Familienmitglieder und von der Intensität, Dringlichkeit, Vorhersehbarkeit oder Nichtvorhersehbarkeit ihrer Bedürfnisse (vgl. Goldmann & Richter, 1992).

Telearbeit erscheint oft als ideale Lösung bei sonstiger Nichtvereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung. Die Flexibiltät der Arbeit zu Hause wird ermöglicht durch eine jeweils individuelle Lösung. Aus den Ergebnissen der IBM-Studie wissen wir darüber hinaus, daß nur ein Fünftel in der Zeit arbeiten konnte, wo sie sich am leistungsfähigsten fühlten. Dazu stellt sich zunächst die Frage, wann telearbeitend am ungestörtesten gearbeitet werden kann. Frauen meinten, die beste Zeit sei, wenn Kinder im Bett sind; die Männer meinten, die beste Zeit sei dann, wenn kein Telefon sie störe (vgl. Glaser & Glaser, 1995). Dies weist auf einen weiteren Aspekte hin. Männer erwarten von telearbeitenden Ehefrauen, daß sie ihre Familienpflichten nicht vernachlässigen, d.h. die Doppelbelastung wächst. Glaser und Glaser (1995) fanden aber in der IBM-Studie kein Erleben einer so gewachsenen Doppelbelastung. In ihrer Befragung unterschieden sich aber die Antworten von Männern und Frauen hier nicht, beide Gruppen drückten die extreme Verneinung einer solchen Erfahrung aus.

Mit Bezug auf konkrete Einzelfallstudien ist diese Aussage bisher nicht empirisch wiederlegt worden, sondern nur durch allgemeine Überlegungen in Frage gestellt worden (vgl. z.B. Goldmann & Richter, 1992; Katz & Duell, 19??). Es wäre eine Aufgabe der künftigen Forschung, die individuelle Belastung von Telearbeitern in der Familie spezifischer zu erforschen.

6. Schluß

Die weitestgehende Kritik an Telearbeit geht davon aus, daß durch neue Informations- und Kommunikations-Technologien das Heim als letzter Schutzraum zunehmend durch das wirtschaftliche und politische öffentliche Leben vereinnahmt wird (vgl. Nowotny, 19??, 11). Damit "wird eine Durchrationalisierung und Ökonomisierung der Privatsphäre vorangetrieben", freilich ohne zu präzisieren, in welcher Hinsicht und wie weitgehend dies der Fall ist (Bahl, 1985, 11; vgl. auch Huber, 1984, 79ff).

Die besten Chancen für eine angenehme Telearbeit haben hochqualifizierte Mitarbeiter. Qualifizierte Kräfte sind rar und deshalb haben diese Mitarbeiter einen guten Stand in der Verhandlungsposition. Solche Mitarbeiter sind überwiegend Männer und für sie stellt sich die Situation völlig anders dar, als für die Teleheimarbeiterinnen klassischer Art. Als Spezialisten können sie ihre Arbeitsbedingungen und die Höhe ihres Einkommens meist aushandeln, da die Auftragsbetriebe auf ihre Leistung angewiesen sind. Sofern diese Teleheimarbeiter Familie haben, ist für alle Familienmitglieder eindeutig, daß "Vater arbeitet" und nicht gestört werden darf. Auch sie haben hin und wieder Probleme bei ihrer Zeitgestaltung und mit der für die Berufstätigkeit zu Hause unumgänglichen Selbstdisziplin, die aber offensichtlich kein Problem darstellt, wie die Untersuchungen von Glaser und Glaser (1995) gezeigt haben. Die Ursachen dafür liegen jedoch selten in den Anforderungen, die andere Familienmitglieder bzw. die Hausarbeit und Kinderbetreuung an sie stellen. Auf die Frage, ob sie jetzt mehr Zeit für die Familie haben, wurde mit der Antwort gezögert, erst als die Frage anders gestellt wurde, und zwar mit dem Zusatz, "im richtigen Moment Zeit zu haben", wurde der Frage zugestimmt.

Theoretisch am weitreichendsten wurde die Problematik der Auswirkungen der Telearbeit von Carsky, Dolan & Free (1991) diskutiert. Sie erarbeiteten ein Modell zur Beschreibung des Zusammenhangs von Telearbeit und Lebensqualität bei Frauen mit Familienpflichten. Dieses Modell beschreibt 19 Bedingungszusammenhänge:

1. Telearbeit, die aus einem Hobby o.ä. entsteht, führt eher zu Arbeitszufriedenheit.

2. Heimarbeit nur aus finanziellen Gründen ist mit geringer Zufriedenheit verbunden.

3. Die Auswirkungen der Arbeit zu Hause sind je nach Art der Arbeit und der Art der häuslichen Bedingungen sehr verschieden.

4. Wenn die Familie der Arbeit untergeordnet wird, dann beeinträchtigt dies die Zufriedenheit und Lebensqualität der ganzen Familie.

5. Wenn die von der Telearbeiterin gewünschte Balance zwischen Arbeit und Familie hergestellt werden kann, dann ist die Lebenszufriedenheit für die Telearbeiterin selbst und die Familie höher.

6. Wenn Familienpflichten und finanzieller Druck (durch Arbeit) jeden wachen Augenblick beherrschen, dann sinkt die Zufriedenheit und Lebensqualität.

7. Wenn die Forderungen der Familie vorhersagbar sind oder mit der Arbeit vereinbar sind, werden Telearbeiterinnen und deren Familie mehr Lebensqualität erfahren.

8. Wenn sich die Familienmitglieder an die sich ändernden Bedingungen der Telearbeit anpassen können, wird die Familie als Ganzes mehr Lebensqualität erleben.

9. Wenn die Familienmitglieder das Gefühl haben, daß ihre Unterstützung für die Telearbeiterin wichtig ist und zum finanziellen Einkommen beiträgt, dann wird sowohl die Lebensqualität der Familie als auch die Zufriedenheit der Telearbeiterin zunehmen.

10. Wenn Telearbeiterinnen wahrnehmen, daß sie angemessen entlohnt/belohnt werden, dann wird auch ihre Arbeitszufriedenheit steigen.

11. Wenn Elemente der Art der Telearbeit die (familiäre) Interaktion beeinträchtigen, dann sinkt die Arbeitszufriedenheit und Lebensqualität der Familie.

12. Wenn der Arbeitsstreß die Kontroll- und Unabhängigkeitsgefühle der Telearbeiterin überwiegt, dann ist vermutlich die Arbeitszufriedenheit und Lebensqualität der Telearbeiterin niedrig.

13. Wenn die Telearbeit kompatibel zu den Alltagsroutinen der Familie gemacht werden kann, wird die Arbeitszufriedenheit der Telearbeiterin und die Lebensqualität der Familie höher sein.

14. Wenn die familiären Verpflichtungen groß sind (z.B. mit kleinen Kindern), wird größere Flexibilität bezüglich der Arbeitsverpflichtungen zu größerer Lebensqualität der Familie beitragen.

15. Die Möglichkeit, selbst die Zeit und die Zahl der Arbeitsstunden zu bestimmen wird zu größerer Zufriedenheit der Telearbeiterin beitragen.

16. Wenn die Art der Arbeit die Telearbeiterin stark beansprucht, dann wird ein Arbeitsplatz mit möglichst geringer Störung durch die Familie zu höherer Zufriedenheit der Telearbeiterin beitragen.

17. Wenn die Telearbeit nur geringe Konzentration erfordert, wird ein Arbeitsplatz eingebettet in das familiäre Leben zu größerer Zufriedenheit beitragen.

18. Wenn das Einkommen als angemessen angesehen wird, wird dies zur Zufriedenheit der Telearbeiterin beitragen.

19. Wenn das Einkommen nicht ausreicht, um die finanziellen Bedürfnisse der Familie zu befriedigen, wird die Zufriedenheit der Telearbeiterin und die Lebensqualität der Familie sinken.

Diese große Zahl von einzelnen Zusammenhängen zwischen Bedingungen und Auswirkungen der Telearbeit auf die Familie muß noch vielfältiger erforscht werden, da es sich um Wechselwirkungsprozesse handelt, die in mannigfachen Kombinationen auftreten können. Hinzu kommt, daß auch die Familie selbst keine feststehende Variable ist, sondern angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche und zunehmenden Individualisierungstendenzen selbst in jeweils verschiedener Lebensform realisiert wird (vgl. Petzold, 1992).

Die fortschreitende Industrialisierung produziert also einen Widerspruch: einerseits die Individualisierung der Menschen, d.h. sie müssen selbständig und frei für die Erfordernisse des Marktes sein, um ihre ökonomische Existenz zu sichern. Diese Erfordernisse stehen der Gründung und Aufrechtserhaltung einer Familie als der hauptsächlichen Lebensform des Industriezeitalters entgegen. Andererseits bietet Telearbeit, die als Extrem der Individualisierung betrachtet werden kann, paradoxerweise die Möglichkeit, die Trennung von Erwerbs- und Hausarbeit aufzuheben und damit den Bedürfnissen nach ganzheitlicher Lebensgestaltung besser gerecht zu werden. Damit beinhaltet Telearbeit ein mögliches Potential an positiver sozialer Sprengkraft (vgl. Katz & Duell, 1990, 303).

Die Auswirkungen der Telearbeit auf die Familie können daher nicht in einem Satz zusammengefaßt werden. Fest steht nur, daß die Einführung von Telearbeit in einer Familie mit großen Leistungen der Anpassung der Familie verbunden ist. Ob dies Nutzen oder Schaden für die Familie bringt, hängt allein davon ab, in welcher Art und Weise die Telearbeit realisiert wird. Eine allgemeingültige Richtlinie kann es dabei nicht geben, sondern nur den Hinweis, die vielfältigen systemischen Zusammenhänge zu beachten.

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Adresse

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Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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